Ökologische Scheinopposition

Die Ökosteuern verbessern die eigene Anpassung.

An den Machtverhältnissen kommt niemand vorbei. Beispielsweise gibt es seit Jahrzehnten eine Opposition gegen den steigenden Kraftfahrzeugbestand und gegen Autobahnbau. Wenn diese Opposition bislang zu schwach war, um den Weg in die totale Autogesellschaft zu stoppen, warum sollten Autoindustrie, Mineralölkonzerne usw. sie über Ökosteuern zulassen? Sie werden es nicht tun. Schließlich findet die Mehrheit der Bevölkerung Umweltschutz weniger wichtig als noch vor ein paar Jahren, und Umweltverbände und Grüne sind mittlerweile so angepaßt, daß Zugeständnisse nicht nötig sind. Interessant sind Ökosteuern unter ideologischen Gesichtspunkten, nicht etwa weil sich etwas Positives mit ihnen erreichen ließe. Ein Blick in das Wahlprogramm 1998 der Grünen und das Positionspapier "Ökologische Steuerreform" vom Deutschen Naturschutzring (DNR) und BUND von 1997 belegt dies. Sowohl die Umweltverbände als auch die Grünen preisen sich als kapitalistische Modernisierer an. Die Grünen wollen "die Marktwirtschaft ökologisch und sozial erneuern" und den "freien Wettbewerb gestalten". DNR und BUND loben die ökologische Steuerreform: "Eine solche Effizienzrevolution würde der Umwelt helfen und dem Standort Deutschland international einen entscheidenden Vorteil verschaffen." Das ist die Opposition, die sich das Kapital wünscht, sie steht fest auf dem Boden nationaler Standortlogik. Und es ist erklärbar. Denn eine Opposition, die danach strebt, unbedingt von Staat und Wirtschaft anerkannt zu werden, muß Bedingungen erfüllen. Beispielsweise: Antimilitarismus hat zur Befürwortung von "Friedensmissionen durch die Bundeswehr" zu mutieren, Nationalismuskritik zu gesundem Nationalbewußtsein und die Ablehnung des Kapitalismus zum Lob des Marktes. Herrschaft in modernen bürgerlichen Demokratien wie der BRD braucht Pseudo-Opposition, die sich allen öffentlich werdenden Widersprüchen annimmt und sie so entschärft, daß alles beim alten bleibt. Insofern erklärt sich mir die Popularität der Ökosteuern dadurch, daß sie völlig systemkonform sind. Ernst Ulrich von Weizsäcker erhofft sich in einem Vorwort des Buches "Die ökologische Steuerreform" noch mehr von den Ökosteuern: "Sie sollen Konsens schaffen, nicht Streit. Sie sollen nicht nach Parteipolitik schmecken und schon gar nicht nach endzeitlicher Systemveränderung." Weizsäcker propagiert die Schicksalsgemeinschaft mit dem Kapital, wenn er sagt: "Der Sinn einer solchen konsensorientierten Reform besteht darin, seine Wirkung mit dem Kapital zu erzielen, nicht gegen das Kapital." Wie bei der Agenda 21 wird zur Ohnmacht geladen und an die runden Konsens-Tische mit der Wirtschaft gebeten. Die ökologische Steuerreform hat zum Ziel, Arbeitnehmer und Unternehmer nicht zu belasten. Treffen würde die ökologische Steuerreform Leute, die die verteuerten Produkte bezahlen müssen, aber nicht den steuerlichen Ausgleich erhalten - also Erwerbslose, RentnerInnen, AsylbewerberInnen und StudentInnen. So fordern die Grünen in ihrem Wahlprogramm auch eine Kerosin-Steuer, nicht aber ein Flugverbot für innerdeutsche Flüge. Der Unterschied ist ein sozialer. Ein innerdeutsches Flugverbot würde für alle gelten und u.a. die Reicheren treffen. Eine Kerosin-Steuer hinderte die Wohlhabenden natürlich weiterhin nicht am Fliegen. Forderungen wie nach Autobahn-Baustopp oder nach Ausstieg aus der Gentechnologie sind bei den Ökosteuer-BefürworterInnen nicht zu finden. Der praktische Mitmachnutzen der Ökosteuer besteht darin, daß sie in der Logik des Gegners argumentiert und stets verhandelbar ist. So lange die Grünen nicht die absolute Mehrheit haben, werden sie immer sagen, ihre Macht reiche für wirklich effektive Ökosteuern nicht aus. DNR und BUND haben die Ökosteuer schon als Instrument im Umgang mit der Atomkraft entdeckt. "Atomenergie wird so besteuert, daß sie zumindest gleich stark wie alle anderen Energiequellen belastet wird und kein Vorteil für Atomstrom entsteht" ist in dem Positionspapier zu lesen. Auf diese Weise werden politische Inhalte auf den Markt geworfen, um sich von ihnen zu verabschieden. "Arbeit ist zu teuer - Energie ist zu billig" ist die zentrale Losung der Ökosteuerkampagne. Erstens wird mit dieser Parole in den Chor "Arbeit, Arbeit, Arbeit" eingestimmt, dem das Recht auf eine gesicherte materielle Existenz ebenso entgegenzuhalten wäre, wie das Recht auf selbstbestimmte Arbeit. Zweitens wird das Märchen der Arbeitgeber von den niedrigen Löhnen, die Arbeitsplätze schaffen, übernommen. Drittens sind die Ökosteuerbefürworter mit der Forderung "Arbeit ist zu teuer" bei den Konzernspitzen als Bündnispartner willkommen, denn "poor jobs" liegen im neoliberalen Trend. Ökosteuern basieren auf der falschen bürgerlichen Annahme, der Staat agiere im Kapitalismus weitgehend unabhängig von Wirtschaftsinteressen. Da aber auch der kapitalfreundlichste Ökosteuerfan weiß, daß die Macht der Wirtschaft groß ist, ist die Forderung nach dem starken Staat eine logische Konsequenz des Ökosteuerkonzeptes.

Hermann König ist Mitarbeiter der AG Verkehr der Ökologischen Linken.