»Einer von uns«

Bismarckbund und Freie Nationalisten huldigten Otto von Bismarck unter fürstlicher und staatlicher Protektion

Angespannte Ruhe herrschte an diesem Nachmittag im Mausoleum des Reichsgründers Otto von Bismarck in Friedrichsruh. Fürst Ferdinand von Bismarck ließ warten. Anläßlich des 100. Todestages des Eisernen Kanzlers hatte der adlige Urenkel des Reichsahnen als Ordensherr und Protektor des Bismarckordens am 30. Juli zur Gedenkfeier in den Sachsenwald geladen.

Getreu dem höfischen Protokoll nahmen zuerst die etwa 200 ausgewählten Gäste ihre Plätze ein, bevor der Fürst gemeinsam mit Carl Eduard Graf von Bismarck unter Orgelmusik in die Gruft einzog. Nur die Dienerschaft, welche ungebetenen Besuch vom Privatgelände derer von Bismarck fernhielt, war nicht in klassischer Livree, sondern im modernen Dreß gekleidet. Wer nicht in Anzug, Uniform oder gar in burschenschaftlichen Farben erschien, fiel der Dienerschaft sogleich unangenehm auf.

Jedes Jahr hält der Bismarckorden, der dem Bismarckbund e.V. angehört, am Sarkophag des Reichsschmiedes seine Feierlichkeiten ab. Nach der Satzung der 1981 von Rechtsextremen und Nationalkonservativen gegründeten Vereinigung zur Wahrung deutschen Geschichtsbewußtseins verpflichten sich die etwa 500 Mitglieder zur Pflege des "deutsch-preußischen Geschichts- und Kulturbewußtseins", zur "Wehrbereitschaft" und "Pflichterfüllung gegenüber Staat und Volk".

Am Mittag war denn auch bei der Konventsitzung des Bismarckordens im Forsthaus Friedrichsruh viel von preußischen Werten und Tugenden und noch mehr von soldatischen Pflichten und nationalen Aufgaben zu hören.

Die Disziplin der Ordensbrüder und schwestern selbst ließ allerdings zu wünschen übrig: Viele der weit über 60jährigen gingen spazieren und trafen erst zur Gedenkfeier wieder ein.

Nach dem Einzug der Familie und einem Gottesdienst zeichnete Festredner Dr. Eckardt Opitz von der Hamburger Bundeswehr-Universität das "Bismarck-Bild der Deutschen" nach. Den Reichsgründer zu entdämonisieren, ohne ihn zu heroisieren, hatte sich der Militär-Akademiker auf die Fahnen geschrieben. Und er dürfte sich damit der Zustimmung des neue Vorsitzenden des Bundes, Uwe Greve, sicher sein. Dieser nämlich ließ wissen, es sei "nicht nur dringend notwendig, die Persönlichkeit Bismarcks unverzerrt der Jugend nahezubringen, sondern auch wieder ein Geschichtsbild zu entwickeln, das die großen historischen Leistungen der Deutschen würdigt".

Für Verstimmung derer von Bismarck sorgte die Distanzierung der Bismarck-Stiftung vom Bismarck-Bund. Der Geschäftsführer der Stiftung, Dr. Michael Epkenhans, blieb denn auch wegen der Kritiken in den letzten Jahren den Feierlichkeiten fern. Bereits bei der Einrichtung der Bundesstiftung 1997 mußte sich die Bonner Koalitionsmehrheit wegen der "vaterländischen Gesinnung" und des "rechten Dunstkreises" des Fürsten Ferdinand den Vorwurf gefallen lassen, einen "rechten Wallfahrtsort mit Bundesmitteln" auszustatten. Schließlich ist der Urenkel des Reichsahnen Kuratoriumsmitglied der Stiftung. Und der hatte offen betont, daß der Bund an den künftigen Veranstaltungen der Stiftungen teilhaben werde. Nichts anderes will auch Greve, der sich nebenbei in der der CDU für eine Zusammenarbeit mit den Republikanern einsetzt.

Enttäuscht von den Feierlichkeiten war allerdings Graf Carl Eduard, der als Vorstandsmitglied der Bundesstiftung beklagte: "Ich habe mit großem Befremden feststellen müssen, daß weder der Bürgermeister, noch der Geschäftsführer der Otto-von-Bismarck-Stifung an der Feier teilgenommen haben. Als Fraktionsvorsitzender der CDU-Aumühle habe ich mich deshalb kurzfristig entschlossen, zumindest für die CDU unserer Gemeinde einen Kranz niederzulegen."

Und dennoch wiegte man sich am Ende in Zufriedenheit: "Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland", schallte es durchs Mausoleum. Erst nach dem "Auszug Seiner Durchlaucht und der Fürstlichen Familie" verließen die Gäste den geschichtsträchtigen Ort.

Wenig höfische Etikette, dafür mehr preußische Traditionen legte das rechte Fußvolk neun Tage später und keine drei Kilometer entfernt von Friedrichsruh in Aumühle an den Tag. Denn dort bewiesen rund 100 Neonazis aus Norddeutschland, daß nicht nur Rechtskonservative und Bundesregierung dem Reichsgründer zu huldigen wissen. Zu Ehren seines Todestages marschierten die Stiefelnazis am 8. August durch das idyllische Örtchen. Das Motto: "Bismarck - ein sozialer Nationalist". Geladen hatten die Jungen Nationaldemokraten (JN) sowie die Freien Nationalisten. Nur um den legalen Rahmen zu garantieren, hatte die JN die Aktion angemeldet. Die im üblichen Styling von Neonazis Gekleideten kamen aus dem Umfeld der norddeutschen Nazikader Christian Worch und Thomas Wulf.

Und so kannte denn auch Festredner Michael Swierczek, einst Vizegeneralsekretär der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) und Gründer der Nationalen Offensive, keine Zurückhaltung: "Bismarck war einer von uns. Würde er in der heutigen Zeit leben, er würde in unseren Reihen marschieren. Die herrschende Klasse hat nicht das Recht, um die Gunst des Reichskanzlers zu buhlen."