Haider will Robin Hood sein

Vorwärts, egal wohin

Alljährlich in der heißen Jahreszeit wird Jörg Haider zur Rettung der im Sommerloch gelangweilten Journalisten. Wenn alle anderen Politiker sich auf Urlaub befinden, das Parlament geschlossen ist und die innenpolitischen Hahnenkämpfe ruhen, mimt Haider für jeden, der es haben will, das politische Monster von Loch Ness. Er taucht kurz aus seiner Residenz im Kärntner Bärental auf, plaziert neueste Ideen in den Zeitungsspalten und verursacht so in der Alpenrepublik heftige Ventilation.

Dieses Mal ist es ihm besonders gut gelungen. Am vergangenen Freitag kündigte der Chef der österreichischen Freiheitlichen (FPÖ) an, entweder seine Partei grundlegend zu reformieren oder eine neue zu gründen oder ganz aus der Politik auszusteigen oder Bundeskanzler werden zu wollen oder doch wieder den Posten des Kärntner Landeshauptmannes anstreben zu wollen. Nichts Genaues weiß man nicht.

Die wichtigste "neue" These Haiders aber ist eine, die sich aus der Entwicklung seiner FPÖ in den letzten Jahren ergibt: Haider hat erkannt, daß Parteien "out" sind. Schon seit längerem propagiert er die FPÖ als Volksbewegung, die für die Gesellschaft und den Bürger ficht und nicht mitmacht bei den Spielchen der Mächtigen um Posten, Macht und Knete. Die FPÖ soll ein Anwalt für die "Anständigen und Tüchtigen" sein. Kurzer, aber einprägsamer Slogan: "Einfach ehrlich, einfach Jörg".

Doch leider kam es im Frühling dieses Jahres zum publicityträchtigen Exitus dieser Selbstdarstellung: Der FPÖ-Abgeordnete Peter Rosenstingl prellte Banken und Partei um Millionen und verfügte sich ins sonnige Brasilien. Der Skandal zog Kreise, andere Parteifunktionäre entpuppten sich als Komplizen. Vorbei war's mit dem Mythos der Volksbewegung. Die "Ehrlichen und Tüchtigen" mußten erkennen, daß die oberehrliche FPÖ sich zu einer mindestens ebenso korrupten und etablierten Partei gemausert hatte, wie es die anderen längst sind. Daß Haider jetzt die Thesen von der Volksbewegung ausgräbt, ist die Trotzreaktion auf diese Schubladisierung durch Wähler und Medien.

Ebenso durchschaubar ist seine Ankündigung, eine neue "Bewegung" zu gründen. "Die Liebe gehört nicht der Partei, sondern dem Land. Wenn es mit der FPÖ nicht geht, kann man es mit einer anderen Bewegung machen", verlautbarte er. Haider emanzipiert sich so von der "Verparteiung der FPÖ" und versucht den Alleindurchmarsch als Robin Hood.

Auch seine Parteifreunde sollen dadurch gewarnt sein: Die Geduld des Chefs mit seinen Lakaien ist am Ende. Sollen sie sich doch einen anderen Führer suchen. Haider jedenfalls braucht nicht unbedingt die Basis einer Partei, um sich durchzusetzen. Er traut sich zu, als Bürger-Ayatollah zu agieren. Nur seinen Idealen verpflichtet und dem Dienst am Wähler: "Der Bundesobmann rackert sich bis zur Erschöpfung ab, den anderen ist aber wichtig, Posten zu haben."

Aber auch Haider ist nicht ganz frei von der Sehnsucht nach einem einflußreichen Posten: Er möchte unbedingt Landeshauptmann von Kärnten werden, aber auch weiterhin in der Bundespolitik mitmischen und den Hüpfer an die Spitze der Bundesregierung ebenfalls wagen.

Österreichs Medien stehen nach diesen etwas wirren Aussagen des FPÖ-Chefs vor einem Rätsel: Der Mann ist unberechenbar geworden, und wo er in den nächsten Monaten mitmischen will, weiß er wohl selbst nicht mehr. Lassen wir uns überraschen.