Ein Volk, ein Volker

Der Verteidigungsminister auf Gelöbnistour durch Norddeutschland

Volker Rühe ist ein vielbeschäftigter Mann: Vergangenen Freitag hetzte er zwischen zwei Wahlkampfauftritten mit Ludger Staby und Wolfgang Schäuble nach Fischbek bei Hamburg. Der September naht, und da setzt der Verteidigungsminister auf Präsenz und Bürgernähe, zumal der eigene Wahlkreis im benachbarten Harburg liegt.

Und Rühe konnte zufrieden sein: Zum einen schloß der Himmel nach dreistündigem Wolkenbruch seine Schleusen just in dem Moment, als der 7er BMW des Bonner Soldatenvorstehers vorfuhr, zum anderen störten keine lästigen Proteste die Zeremonie. In aller Ruhe konnte Rühe, in Begleitung von Bundestagsvizepräsident Hans-Ulrich Klose, die Reihen der 378 angehenden Panzergrenadiere abschreiten und den 2 000 geladenen Gästen und Angehörigen zuwinken. Der Treueschwur auf die Bundesrepublik Deutschland war nur noch Routine.

Die an diesem Tag besonders herausgeputzten Soldaten der Scharnhorst-Kaserne bewiesen dem Minister dann dann auf dem Biwak-Fest, daß Soldaten nicht nur gut geloben, sondern auch bei Schweinshaxe (6,50 Mark) und Bier (3,50 Mark) gut feiern können. "Das war eine wirklich würdevolle und angemessene Veranstaltung", resümierte Leutnant Sylvester Mackensen.

Nicht ganz so würdevoll und angemessen war das öffentliche Gelöbnis auf dem Kieler Rathausplatz drei Tage zuvor verlaufen. Das Bündnis Gelöbnix hatte zu Protesten gegen die "militaristische Propagandashow" mobilisiert. Zwei von den Grünen und der PDS angemeldete Demonstrationen in unmittelbarer Nähe des Festaktes sollten die Feier, 400 Polizisten und 600 Feldjäger die Proteste stören.

Nach einer Kundgebung in der Kieler Innenstadt zogen an die 500 Menschen in Richtung Rathausplatz, den Polizisten abgeriegelt hatten. An nur zwei Stellen konnten Angehörige oder interessierte BürgerInnen nach Gesichtskontrolle auf den Platz gelangen. Nach ersten Rangeleien an den Absperrgittern zog ein Großteil der Demonstranten in den an das Rathaus grenzenden Hiroshima-Park und begleiteten das Gelöbnis von dort mit Pfiffen, Buh-Rufen und Eierwürfen.

Nachdem die Störungen der anwesenden Politprominenz, neben Rühe und Bürgermeister Norbert Gansel war auch Ministerpräsidentin Heide Simonis zugegen, zu laut wurden, begann die Polizei mit Greiftrupps gezielt vermummte oder mit Megaphonen ausgerüstete DemonstrantInnen festzunehmen. Kurz nach vier erklärte die Polizei die Gegenveranstaltung für beendet. Der folgende Polizeieinsatz führte zur gewollten Straßenschlacht, und einige Demonstrierende fanden sich kurzfristig in einem Kessel wieder. Insgesamt nahm die Polizei 21 Personen fest.

Auf dem Rathausplatz selbst war die Atmosphäre fast ebenso gespannt wie in den umliegenden Straßen. Proteste von auf den Platz gelangten Gelöbnis-Gegnern wurden teilweise handgreiflich von Angehörigen der Soldaten beendet, in einem Fall mußten Polizisten eine Demonstrantin vor übereifrigen Feldjägern in Schutz nehmen. Zumindest die Rede Rühes wurde so massiv gestört, daß dieser einige Passagen wiederholen mußte. Über die Proteste sagte er dem NDR, daß "die Polizei mit solchen Leuten entsprechend umgehen muß".

Leutnant Mackensen in Fischbek versteht die Demonstranten nicht: "Wir schützen doch deren Recht auf freie Meinungsäußerung." Vor wem oder was sagte er nicht. Das weiß wohl auch nur sein oberster Dienstherr Volker Rühe, und der behält sein Wissen für sich. Bei dem Pressegespräch in Hamburg zumindest entgegnete er der Jungle World auf die Frage nach dem Sinn und Unsinn von öffentlichen Gelöbnissen, daß "wir uns weder von Störern noch Journalisten unsere Feierlichkeiten kaputtmachen lassen". Der Minister, der schon im Januar angekündigt hatte, 1998 möglichst viele öffentliche Gelöbnisse veranstalten zu wollen, wies einen Zusammenhang zwischen der Gelöbnishäufung und seinem Wahlkampf weit von sich.

Neben der Veranstaltung in Fischbek fanden am vergangenen Freitag nicht weit entfernt noch zwei öffentliche Gelöbnisse statt: In Heide und Hohwacht - letzteres auf dem Gelände einer ehemaligen Außenstelle des KZ Neuengamme, das heute als Parkplatz genutzt wird.