Demokratie in Nigeria

Abubakars Reformen

Laut tönt es aus Nigeria: Eine Militärregierung sei "nicht länger vertretbar", die Demokratie "bevorzugte Regierungsform der Nigerianer".

Aussagen dieser Art sind alt. Immer wieder formuliert von Oppositionellen aller Richtungen. Die dann, wenn es gut lief, dafür im Knast landeten oder sich ins Ausland absetzen konnten. Neu ist, daß sie nun am lautesten von den Militärs selbst herauskrakeelt werden. Allen voran von Staatschef und General Abdusalam Abubakar, der seit Juni als Nachfolger des Diktators Sani Abacha fungiert.

Doch es wird nicht nur getönt. Ein Übergangskabinett, am 23. August vereidigt, hat, glaubt man Abubakar, "enorme Verantwortung" übernommen: für die Zeit bis zu den für Februar nächsten Jahres vorgesehenen demokratischen Parlaments- und Präsidentenwahlen. Die nigerianische Wirtschaft bedankt sich mit der Öffnung von Märkten bei ausländischen Anlegern. Die lassen ihre Pressesprecher zurückdanken: "Ermutigende Signale" und die "Hoffnung auf einen politischen Frühling" sieht die NZZ, einen "Wind der Veränderungen" die Washington Post, "mehrere Schritte in Richtung Demokratie" die FAZ.

In der Tat scheint Abubakar mit der Übergabe der politischen Macht an eine zivile Regierung Ernst machen zu wollen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Ibrahim Babangida und Sani Abacha, die während ihrer Herrschaftszeiten ebenfalls "Demokratisierung" und "Reformen" angemahnt und angekündigt hatten. In der Praxis bedeutete dies Demokratisierung der Staatsschulden durch Steuererhöhungen und rasche Reformen der Möglichkeiten, sich und seine Machtclique effizienter bereichern zu können. Das Reform-Regime Abubakars hat für diese Methoden in jüngster Zeit Abachas Korruptionsgehilfen zur Rechenschaft gezogen.

Auch daß im neuen Kabinett von den insgesamt 31 Ministern nur noch acht Offiziere sind, spricht oberflächlich für einen Übergang. Doch sieht auch hier die Praxis anders aus: Das Energie-Ministerium untersteht Abubakar selbst, alle anderen wichtigen Ressorts sind mit seinen (zivilen) Vertrauten besetzt. Am eigentlichen Machtzentrum Nigerias, dem Provisorischen Regierungsrat, wurden ohnehin keine Änderungen vorgenommen.

Der Teufel steckt zudem im Reform-Detail: Alle derzeitigen Kabinettsmitglieder sind per Dekret von einer Kandidatur bei den nächsten Wahlen ausgeschlossen. Warum also sollten sich die Militärs jetzt mit einem Pöstchen als Interimsminister für Kultur oder Familienangelegenheiten abgeben, wenn sie dann ab Februar nicht mehr mitspielen dürfen? Zugelassen sind ohnehin nur Parteien, die bei Regionalwahlen in 24 von 36 Gliedstaaten mehr als zehn Prozent der Stimmen erhalten. Also nur die fünf großen Parteien, die früher Abacha stützten, die heute auf Abubakar setzen und in denen alle führenden Militärs vertreten sind.

Ein weiteres vielfach angeführtes Merkmal der nigerianischen Demokratisierung taugt ebensowenig: Der unter Abubakar bislang geringe Grad an Repression gegen Regimegegner. Angesichts des zur Zeit anwesenden Haufens an ausländischen Diplomaten und Geschäftsleuten läßt man andere vor, um sich die Finger schmutzig zu machen: Im benachbarten Sierra Leone, das seit Frühjahr dieses Jahres de facto unter nigerianischer Herrschaft steht, wurden vergangene Woche 16 Todesurteile gegen "Kollaborateure" der früheren Militärjunta Sierra Leones verhängt. "Kollaborateur" steht hier für "Feind Nigerias".