BürgermeisterIn

Nicht nur in der Clinton-Lewinsky-Affäre dient das Privatleben als Waffe des politischen Gegners, wie jetzt ein Bürgermeister in der sachsen-anhaltinischen Provinz erfahren muß. Quellendorf liegt zwischen Köthen und Dessau, hat genau 1 048 Einwohner und ist seit einigen Wochen Quelle von Aufregung und Empörung. Der PDS-Bürgermeister Norbert Lindner verkündete dem Gemeinderat im Juli, daß er transsexuell sei und fortan den Namen Michaela Lindner trage. Nach einer Geschlechtsumwandlung wolle er demnächst als Frau weiterleben. Seither bekommt die Bürgermeisterin das dumpfe Ressentiments der Dörfler zu spüren; die Vertreter der anderen Parteien rechnen sich Chancen aus und setzen auf Abwahl und Rücktritt Lindners. Unterschriftenlisten gegen die gewählte Bürgermeisterin kursieren im Dorf. Die Entwicklung kulminierte vorläufig am Donnerstag vergangener Woche während einer öffentlichen Gemeinderatssitzung, auf der 40 Einwohner und fast ebensoviele Journalisten anwesend waren. Mit sechs gegen zwei Stimmen beschloß der Rat, am 29. September die Quellendorfer über eine Absetzung Michaela Lindners entscheiden zu lassen. Der Grund für diese Entscheidung wurde zu keinem Zeitpunkt offen ausgesprochen, und Lindner selbst hatte während der Sitzung Redeverbot. In den letzten Tagen hatte sie Unterstützung von zahlreichen Transsexuellen und PDS-Politikern sowie von ihrer Ehefrau bekommen.