Blau, weiß, rot

Auf dem Fest des rechtsextremen Front National hat Le Pen alles im Griff

"Lepenistischer Obdachloser. Können Sie mir 5 Francs / 10 Francs / 20 Francs geben?" hat der abgerissen aussehende Mann auf sein Schild geschrieben, das er den Besuchern des BBR-Fests (für die französischen Nationalfarben "bleu, blanc, rouge") entgegenhält. Die sehen sich jedoch durch das politische Bekenntnis nicht zu milden Gaben veranlaßt. Der Eingang zu dem seit 1981 jährlich stattfindenden Fest des neofaschistischen Front National (FN) wird wie üblich von mehreren Reihen uniformierter Privatpolizei der Partei (DPS, für "Abteilung Schutz und Sicherheit") bewacht. Für umgerechnet 20 Mark Eintritt passieren um die 50 000 Besucher an diesem Wochenende die Pforten des Parkgeländes Pelouse de Reuilly, das ein Teilstück des Pariser Stadtwalds Bois de Vincennes bildet.

Auf dem BBR-Gelände findet man die Stände und Zelte der diversen Satellitenorganisationen, mit deren Hilfe die rechtsextreme Partei auf eine Vielzahl gesellschaftlicher Konfliktfelder vordringen will: den (Klein-)Unternehmerverband FNMLE ebenso wie die Armenhilfsorganisationen Fraternité fran ç aise (Französische Brüderlichkeit) oder Entraide Nationale (Gegenseitige Hilfe der Nationalen), deren Tätigkeit an jene des NS-Winterhilfwerks erinnert. Einige Schicksalsgenossen des Obdachlosen vom Eingang verkaufen die gleichnamige Zeitung Entraide Nationale an die Festbesucher.

Die Zahl der in den vergangenen Jahren vom FN gegründeten Satellitengewerkschaften hat gegenüber den letzten BBR-Festen deutlich abgenommen. Die meisten sind infolge der starken (juristischen wie politischen) Gegenoffensive der existierenden Gewerkschaftsorganisationen von der Justiz verboten worden. Lediglich die Lehrerorganisation "Bewegung für ein nationales Bildungswesen" findet man noch, zudem einen "Verein der Freunde des FNP", der augenscheinlich den - kümmerlichen - Rest der verbotenen Polizeigewerkschaft FNP (Front National Police) bildet. Die große "Offensive auf dem sozialen Terrain", die der FN vor zwei bis drei Jahren begonnen hat und die damals viel von sich reden machte, ist steckengeblieben. Derzeit dominiert ein Rückbezug auf klassische politische Themen der Partei wie Immigration und Antikommunismus.

Das diesjährige BBR-Fest bietet Anlaß für einen kleinen Streit unter den Organisatoren. Wegen der Rivalität zwischen den beiden Spitzenmännern der "nationalen Bewegung", Jean-Marie Le Pen und Bruno Mégret, die im Laufe des Sommers hohe Wellen schlug? Weit gefehlt - dieser Streit ist wohl definitiv entschieden. Mégret scheint eine klare Niederlage eingesteckt zu haben.

Im politischen Teil des Veranstaltungsprogramms wurde Mégret deutlich zurückgestuft. Auf den vorangegangenen BBR-Veranstaltungen hatten an beiden Tagen des Wochenendes politische "Foren" stattgefunden, und die mit führenden Köpfen des FN - wie dem Chefideologen Mégret - waren an hervorgehobener Stelle angekündigt worden. In diesem Jahr werden die politischen Debatten auf fünf Stunden am Sonntag zusammengezogen. Darüber hinaus werden sie im offiziellen Veranstaltungsprogramm nur pauschal als "politisches Forum, 11 bis 16 Uhr" angekündigt, ohne daß Einzeldiskutanten erwähnt werden.

Tatsächlich hat Bruno Mégret am Sonntagmittag noch seinen Auftritt. Er darf sein neues Buch über das "Europa der Nationen" (L'Europe nouvelle) vorstellen. Doch die Veranstaltungsleitung betont, daß es sich bei allen Einzeldebatten lediglich um "technische Foren" zu Spezialfragen handelt - ohne allgemeinpolitischen Anspruch.

Das allgemeine Resümee in der letzten Stunde bleibt Serge Martinez vorbehalten, dem "Beauftragten für große Demonstrationen". Martinez - bekannt als eingefleischter Gegner von Mégret - nutzt den Anlaß, um daran zu erinnern, daß für "Streber und Karrieristen" der FN ein schlechter Platz sei - womit nur Mégret gemeint sein kann, der Absolvent zweier Elitehochschulen ist und vor seinem Übertritt zum FN eine Karriere in Ministerialkabinetten (im "Kooperations"-, dem früheren Kolonialministerium) und im Apparat der Gaullisten duchlaufen hatte.

Mégret erhält dennoch starken Applaus. Der Griff nach der innerparteilichen Macht dürfte ihm jedoch vorläufig vergangen sein. Und damit sind wohl auch eventuelle weitere Annäherungen zwischen dem FN und Teilen der konservativen Rechten vorerst blockiert.

Welchen Konflikt es unter den Organisatoren gibt? Ach ja - den um die Techno-Musik am Stand der Jugendorganisation FNJ. Festbesucher hätten sich bei ihm beschwert, so Martinez; sie hätten darin eine "Anti-Kultur" gesehen.

Der krönende Abschluß des Wochenendes: Zu den Klängen von "Conquest of Paradis" von Vangelis, dann des "Gefangenenchors" aus "Nabucco" schreitet Jean-Marie Le Pen durch ein langes DPS-Spalier auf die Riesentribüne. Die ausführliche Beschreibung der Weltlage durch Le Pen ähnelt dem, was man von ihm gewohnt ist: Die schwächlichen Regierenden vermögen es nicht, Frankreichs Armee auf die globalen militärischen Herausforderungen vorzubereiten, die Immigrationsflut schwappt weiter, die Republik ist durch und durch korrupt, die Auflösung der Nationen im Europa von Maastricht und Amsterdam ist nur eine Etappe auf dem Weg zur Weltherrschaft des Finanzkapitals.

Die öde FN-Show steht neuen Wahlerfolgen allerdings kaum im Wege. Bei dem - wegen wiederholter Annullierung - mittlerweile dritten Wahlgang innerhalb von 16 Monaten in Toulon hat die FN-Kandidatin wieder kräftig abgesahnt. Bei den Parlamentswahlen 1997 war Toulon der einzige Wahlkreis, den der FN für sich gewonnen hatte. Bei Redaktionsschluß lag die FN-Frau Cendrine de Chevallier mit knapp 40 Prozent der Stimmen an der Spitze, dicht gefolgt von der Sozialistin Odette Casanova.