Possen in Phnom Penh

Der kambodschanische Oppositionsführer Sam Rainsy bittet die USA um Bombardierung des Regierungssitzes

Wäre nicht ohnehin bekannt, daß Politik stets eine mehr oder weniger blutige Seifenoper ist, die jüngsten Ereignisse in Kambodscha würden es beweisen. Von internationalen Beobachtern als fair beschriebene Wahlen haben die kommunistische Monarchie am Mekong in den vergangenen Wochen in politische Wirren geführt, die am vorvergangenen Montag mit Schüssen der Polizei in eine Demonstration ihren vorläufigen Höhepunkt erreichten.

Kurz zuvor noch hatten zwei der insgesamt drei Rivalen - der kommunistische Ministerpräsident Hun Sen und sein Widersacher Sam Rainsy - den Konflikt mittels einer Abstimmung mit den Füßen austragen wollen: Der Premier holte zehntausend Fans zu einer Pro-Regierungs-Kundgebung in die Hauptstadt Phnom Penh, sein ehemaliger Finanzminister mobilisierte trotz eines großen Polizeiaufgebots knapp halb so viele. Die späteren Unruhen haben mehrere Menschen das Leben gekostet.

Anlaß der jüngsten Proteste ist der Ausgang der Parlamentswahl vom 26. Juni, deren Ergebnis Anfang September bekannt wurde: Demnach steht Hun Sens Kambodschanischer Volkspartei mit 41,1 Prozent der Stimmen der Sieg zu. Nach kambodschanischem Wahlrecht zu wenig für den Griff nach der Macht: Erst zwei Drittel der Stimmen legitimieren zur Regierungsbildung.

Für die beiden Oppositionschefs Rainsy und Prinz Norodom Ranariddh war das Votum trotzdem Grund genug, in Rage zu geraten. Sie warfen der Regierung Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung vor. Beweise für einen Wahlbetrug konnten sie bislang allerdings nicht vorlegen.

Unterstützt von den USA, hatten die Oppositionsparteien auf einen Sturz Hun Sens gehofft. Der hatte Ranariddh, vormals erster der zwei laut Verfassung vorgeschriebenen Premierminister, im Juli vergangenen Jahres durch eine Palastrevolte aus dem Amt und ins Exil gejagt. Doch kaum ein Jahr später sah sich Hun Sen - mittlerweile über ein Jahrzehnt an der Spitze des Staates - auf Druck der USA gezwungen, seine Herrschaft durch einen Gang an die Urnen zur Disposition zu stellen und die Rückkehr seines Widersachers zu gestatten.

Die Abstimmung Ende Juli soll ohne größere Unregelmäßigkeiten verlaufen sein. Stephen Solarz, ehemaliger demokratischer Abgeordneter aus den USA und einer der Wahlbeobachter, nannte in der Washington Post ein mögliches Motiv für die Zusammenstöße: "Viele von denen, die die Wahl verurteilen, tun dies, weil ihnen die Ergebnisse nicht gefallen. Sie scheinen die Position einzunehmen, daß die Wahl akzeptabel gewesen wäre, wenn die Opposition sie gewonnen hätte." Wären die beiden Oppositionsparteien nicht durch Rivalitäten getrennt, hätten sie ohnehin die Mehrheit der neun Millionen Kambodschaner hinter sich.

Von solcherlei Einsicht blieben die Adressaten dieser Botschaft unberührt: Sam Rainsy nannte das Ergebnis eine "Perversion des Willens des kambodschanischen Volkes". Zusammen mit Ranariddhs royalistischer Funcinpec-Partei bat er öffentlichkeitswirksam US-Außenministerin Madeleine Albright um Hilfe. "Kambodschaner vertrauen den USA mehr als jedem anderen Land", so ein Funcinpec-Mitglied. "Wir hoffen, daß sie uns helfen können." Die Feststellung ist überraschend, warfen die USA doch während des zweiten Indochina-Krieges bis 1975 rund 685 000 Tonnen Bomben auf das Land.

Trotz des guten Leumunds, den ihr die internationalen Beobachter verschafften, weigert sich die Regierung, die Wahlergebnisse überprüfen zu lassen. Aus Protest dagegen organisierte die Sam-Rainsy-Partei über zwei Wochen hinweg eine Art Hüttendorf auf dem Platz der Demokratie in Phnom Penh, das zunächst von der amtierenden Regierung geduldet wurde. Als in der ersten Septemberwoche zwei Handgranaten in Hun Sens hauptstädtische Residenz flogen, lösten die Sicherheitskräfte das Protestcamp nach vorheriger Ankündigung auf.

Unklar ist jedoch, wer die Handgranaten werfen ließ. Für ein vorgetäuschtes Attentat spricht einiges: Von Hun Sen ist bekannt, daß er sich meist in seiner Vorort-Villa in Takmau aufhält. Zum Zeitpunkt des Anschlags war er zudem zu einem Gespräch bei König Norodom Sihanouk, um über eine Lösung der gegenwärtigen Probleme zu verhandeln. Unwahrscheinlich, daß Attentäter sich derart unbeholfen anstellen. Allerdings: Auch bei früheren Kundgebungen von Rainsy ist es bereits zu Handgranatenwürfen gekommen. Regierung und Opposition beschuldigen sich gegenseitig der Urheberschaft des Attentats.

Jedenfalls bot der Anschlag willkommenen Anlaß, das Zeltdorf der Regierungsgegner in Phnom Penh gewaltsam zu räumen. Es folgten heftige Straßenschlachten, bei denen die Polizei Räumfahrzeuge und Wasserwerfer einsetzte, die Demonstranten mit Steinen warfen und Feuer legten.

Das harte Vorgehen der Polizei macht die Oppositionspartei Rainsys nicht sympathischer. Medienberichten zufolge sind seine Anhänger für rassistische Ausschreitungen gegen Vietnamesen verantwortlich und damit an der Eskalation der Gewalt nicht unbeteiligt. Rainsy selbst hatte zuvor in seinen Reden die vietnamesische Minderheit diffamiert. UN-Vertreter reichten Beschwerde ein, als in der Folge ein wütender Mob in Phnom Penh am hellichten Tage drei Vietnamesen zu Tode prügelte.

Der Protest gegen den Regierungschef geriert sich anti-kommunistisch und anti-vietnamesisch. In der Zeltstadt plazierten Demonstranten Puppen, die Hun Sen mit einem Hundekörper und vietnamesischer Kopfbedeckung darstellen: Seine Gegner werfen ihm vor, er sei eine Marionette des kommunistischen Nachbarlandes. Vietnam hatte den jetzigen Premier nach dem Sieg über den Steinzeit-Bolschewismus der Roten Khmer als Außenminister eingesetzt.

Ob angesichts der undurchsichtigen Situation die USA das Haus Hun Sens mit Raketen beschießen - wie es Rainsy unlängst gefordert hat -, ist mehr als zweifelhaft. Einen Haftbefehl gegen den Oppositionsführer, der zwischendurch bei den Vertretern der Uno Zuflucht gesucht hatte, hat die Regierung allerdings auf Druck westlicher Diplomaten wieder aufgehoben.

Am Donnerstag dieser Woche soll nun erstmals das neue Parlament zusammentreten. Prinz Ranariddh steht offenbar trotz der jüngsten Wirren einer erneuten Teilhabe an der Macht nicht ablehnend gegenüber. Obwohl er das Wahlergebnis nicht akzeptiere, so ließ er verlauten, sei es möglich, daß er sich an einer Regierung mit Hun Sen beteilige.

Da will Rainsy nicht allein im Regen stehen. Er sei bereit, sagte er am vergangenen Donnerstag, an einem Gipfeltreffen zwischen Hun Sen und Ranariddh teilzunehmen.