Grubenunglück von Lassing

Profit bis in den Tod

Das Grubenunglück im österreichischen Lassing, das im Juli zehn Bergleuten das Leben kostete, war keine schlichte Naturkatastrophe. Am vergangenen Mittwoch bestätigte der österreichische Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner, was in der Gerüchteküche schon seit Wochen vermutet wurde: Im Bergwerk von Lassing wurde vom März 1997 bis Juni 1998 Schwarzabbau betrieben, der schließlich das Bergwerk an jenem 17. Juli zum Einsturz gebracht haben könnte. Die illegale Talkum-Förderung fand auf der sogenannten "Scheibe 1 a", der ersten Ebene der Grube statt, die sich knapp 60 Meter unter dem riesigen Krater befindet.

Viele Bewohner Lassings, allen voran Vizebürgermeister Fritz Stangl, haben schon immer vermutet, daß illegal gefördert wurde. Die wochenlang in Lassing stationierten Journalisten wurden von ehemaligen Bergleuten und Angehörigen der Opfer immer wieder darauf aufmerksam gemacht, der letzte Beweis aber fehlte. Nun ist sich Stangl sicher: "Da wird noch einiges aufgedeckt werden."

Erst am vergangenen Dienstag ließ die Werksleitung in Lassing der obersten Bergbehörde einen aktuellen Plan der Grube zukommen, der auf Schwarzabbau hinweist. Daß dieser Plan erst zwei Monate nach Beginn der Katastrophe den Behörden übergeben wurde, kann als weiterer Beweis für die bemühte Vertuschung von Unregelmäßigkeiten durch die Werksleitung angesehen werden.

Schon während der Rettungsarbeiten war diese durch ihre fehlende Kooperationsbereitschaft in die Kritik geraten. So berichteten Arbeiter des Bergwerkes immer wieder über Sprengungen im Bergwerk, die erst einen Tag vor dem Einsturz und der Verschüttung des schließlich geretteten Bergmannes Georg Hainzl stattgefunden hatten. Doch bisher weigerte sich die Leitung der Naintscher Mineralwerke, den genauen Ort dieser Sprengungen bekanntzugeben.

Seit das brisante Material über den Schwarzabbau den Behörden übergeben wurde, scheint sich bei den Managern in Lassing Panik breitgemacht zu haben. Der Werksleiter ist verschwunden, Geschäftsführer Walter Engelhardt ist für die Medien nicht erreichbar.

Auch politisch werden die Enthüllungen Folgen haben. Bei einer am vergangenen Donnerstag angesetzten Sondersitzung des österreichischen Parlaments wurde Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner von der Opposition attackiert. Der Minister hatte schon vor einem Monat dem Kabinett einen Bericht vorgelegt, in dem von Schwarzabbau keine Rede war. Voreilig, wie die Opposition nun meint.

Der coole Farnleitner gab sich bei der Sondersitzung des Nationalrates "erschüttert und enttäuscht". Die Erschütterung ist eher ein politisches Armutszeugnis: Immerhin sollte sich die in seinem Ministerium angesiedelte "Oberste Bergbehörde" eigentlich um die Kontrolle der Bergwerke kümmern, nach Lassing aber verschlug es offensichtlich keinen Prüfer. Wie sonst ist es möglich, daß der Schwarzabbau mehr als ein Jahr unentdeckt blieb? Es kommen nur zwei Möglichkeiten in Frage: Fahrlässigkeit oder Mitwisserschaft.

Die Rücktrittsforderungen der Opposition schmetterte der Minister am Donnerstag ab: Jetzt erst recht werde er für eine schonungslose Aufklärung der Lassinger Katastrophe sorgen. Kann sein, daß ihm diese Lebensaufgabe nicht vergönnt sein wird: Das Liberale Forum wird in den nächsten Wochen einen Mißtrauensantrag gegen Farnleitner stellen.