Militärschlag gegen Serbien

Rüpel Rühe

Er tat gerade so, als ob er nicht anders könne. "Und dann möchte ich nicht, daß Deutschland wieder einen Sonderweg geht und ausschert", versteckte Verteidigungsminister Volker Rühe vergangene Woche deutsches Interesse hinter humanitären Floskeln: Um eine Flüchtlingskatastrophe im Kosovo zu verhindern, so der Christdemokrat im ZDF, müsse der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic die Offensive seiner Streitkräfte in der südserbischen Provinz sofort beenden.

Wenn nicht, "dann wächst die Bereitschaft im Westen, dies auch militärisch zu stoppen, in den nächsten drei bis fünf Wochen". Im Spiegel setzte er am Montag noch einen drauf: "Wenn unsere westlichen Verbündeten die Nato-Schläge zum Schutz der Zivilbevölkerung für gerechtfertigt halten, dann muß auch Deutschland voll dahinterstehen."

Rühe rasselt mit dem Säbel. Daß die deutsche Jugoslawien-Politik entgegen seiner Auskunft nicht nur "voll dahinter", sondern - was die militärischen Optionen der Nato anbelangt - an vorderster Front steht, ist vor allem sein Verdienst. Während die "westlichen Verbündeten" seit Ausbruch der Kämpfe im Kosovo Anfang März eine Verhandlungslösung zwischen Milosevic und dem Delegationsleiter der Kosovo-Albaner Ibrahim Rugova favorisieren, drängte Rühe von Anfang an auf einen Militäreinsatz der Nato - und wurde von den Bündnispartnern immer wieder ausgebremst.

Zuletzt pfiffen ihn seine Kollegen auf der Tagung der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel im Juli zurück. Schließlich mußte er einräumen, daß die Nato lediglich zur Absicherung einer von beiden Konfliktparteien akzeptierten politischen Lösung im Kosovo zu intervenieren bereit sei.

Dennoch läßt der Oberbefehlshaber über die deutschen Streitkräfte nicht locker. Die Reaktion Belgrads auf seine Drohungen wird deshalb in London und Washington nicht ohne Wohlwollen aufgenommen worden sein. Die Bundesregierung, so ein Sprecher des Belgrader Außenministerium in der vergangenen Woche, plane im Alleingang einen Militärschlag gegen Jugoslawien.

Rühes Äußerungen seien Teil einer Kampagne, die "den Separatismus und Terrorismus in Kosovo anstacheln". Ähnlich hatten im Juni bereits die USA argumentiert: Bonn solle die Spendengelder von Exil-Albanern aus dem Kosovo stoppen - nur so lasse sich der Konflikt entschärfen.

Angesichts der außenpolitischen Isolierung seiner Position sucht Rühe nun sein Heil in der Innenpolitik. Eine Woche vor der Bundestagswahl forderte er die SPD dazu auf, "ein klares militärisches Signal" der Nato im Kosovo-Konflikt zu unterstützen.

Rühes Kalkül ist klar. Als Kronprinz des Unions-Kronprinzen Wolfgang Schäuble dürfte für ihn im Falle einer Großen Koalition unter CDU-Führung nicht mehr herausspringen als sein bisheriger Posten. Sollte es jedoch zu einem Bündnis zwischen CDU und SPD unter einem Kanzler Gerhard Schröder kommen, stünde der Verteidigungsminister für größere Aufgaben bereit.

In Sachen Kosovo jedenfalls gäbe es keine Verständigungsschwierigkeiten zwischen Schröder und Rühe: Während Außenminister Klaus Kinkel (FDP) einen Nato-Einsatz ohne UN-Mandat weiterhin ablehnt, ließ Schröder bereits im Sommer durchblicken, daß er auf die Zustimmung Rußlands im Sicherheitsrat getrost verzichten könne. Ein Außenminister Rühe wüßte diese Position schlagkräftig zu vertreten.