Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?

ist Autorin und Redakteurin beim Sklavenaufstand

Sowas vergißt man nicht!

Das Spiel habe ich nicht zu Hause in Magdeburg, sondern auf Schloß Reinhardsbrunn in Thüringen gesehen, einem Inter-Hotel, in dem mein reicher Opa im Sommer 1974 ein Appartement genommen hatte. Meine Eltern fuhren dann in den Ferien ebenfalls dorthin, wir wohnten allerdings in einem kleinen, dunklen Zimmer, denn wir hatten nicht soviel Geld. Als das Spiel begann, versammelten wir uns alle bei Opa, wo ein großer Fernseher stand, selbst die Oma saß dabei.

Mein Vater ist der größte Sportfanatiker, er war immer für die DDR, egal in welcher Sportart. Er macht noch heute eigene Tabellen, für die er immer nachguckt, ob die Sportler, die irgendwas gewonnen haben, aus dem Osten sind oder im Osten trainieren. Als Sparwasser damals das Tor schoß, so habe ich einmal geschrieben, sprang mein Vater auf und rief: "Der Sozialismus siegt!" Das stimmte dann doch nicht so ganz, aber die Stimmung war nach: "Wir sind jemand, wir haben es den Kapitalisten gezeigt!"

Ich freute mich besonders darüber, daß mit Sparwasser ein Magdeburger den Treffer erzielte, denn ich war, obwohl erst zehn Jahre alt, Fan vom FCM. Dazu kam ich ganz einfach: Mein Vater war nämlich absoluter Rot-Weiß-Erfurt-Anhänger, und einer in der Familie mußte der Feind sein. Als die Fußballspieler dann wiederkamen, wurden sie begeistert empfangen. Sparwasser ist, obwohl er dann später aus der DDR flüchtete, immer noch der absolute Held in Magdeburg, er gehörte ja auch zu der Magdeburger Mannschaft, die damals den Europapokal gewonnen hat. Und er wird auch heute noch wiedererkannt: Für ein Radio-Feature erzählte er mir, wie er letztens bei einem Besuch in der Stadt einfach nur den Alten Markt überqueren wollte. Er brauchte eine halbe Stunde dazu, denn ständig hielten ihn begeisterte Menschen an.