Schallplatten, die keiner bestellt hat

Nachmittags im Park

Öffentliche Grünflächen spielen im Leben vieler Großstadtbewohner offenbar eine wichtige Rolle. Sie erinnern sich sicher an den symphatischen französischen Sänger Katerine, der den schönsten Tag seines Lebens im Botanischen Garten verbrachte. Oder an das Cover der unvergeßlichen CD "500" von Lush, auf dem die Band beim Picknick im Park zu sehen ist.

Die meisten Menschen machen jedoch alberne Sachen in Parks: auf Bongos spielen, mit Bällen jonglieren, den Himmel durch Grillholzkohlewolken verdunkeln, Haschisch verkaufen oder die Hunde spazierenführen. Man könnte statt dessen doch auch einfach ruhig auf einer Bank sitzen, sich die Sonne auf den Bauch brennen lassen, ein Dosenbier trinken und niemanden stören.

Wo man das macht, ist eigentlich egal, ein guter Ort dafür ist jedoch der Viktoriapark in Berlin-Kreuzberg, womit wir schon fast beim Thema wären. Die abschüssigen Wiesen des Viktoriaparks eignen sich wunderbar für nachmittägliches Biertrinken und tragische Verabredungen, weil hier weniger getrommelt, jongliert, gegrillt, gedealt und Gassi gegangen wird als anderswo.

Der Wasserfall, der von der Spitze des Kreuzbergs in Richtung Kreuzbergstraße hinabstürzt, ist künstlich und dem Zackelfall im Riesengebirge nachempfunden, aber das stört hier kaum jemanden. Oben auf dem Berg steht das Denkmal für die Freiheitskriege (1813-1815), auf dem ein eisernes Kreuz angebracht ist, weswegen der Berg Kreuzberg genannt wurde. Und nun heißt gleich der ganze Bezirk so.

Alles nur ein irrer Zufall, sagen Sie? Ebenso zufällig ist es, daß die Band Viktoriapark Viktoriapark heißt. Fünf nette junge Leute, die über dies oder das singen, was sie halt gerade so interessiert. Am liebsten also über sich selbst, hin und wieder aber auch über die Welt, von der es heißt: "Mal sie dir an, wie sie dir gefällt, mir gefällt sie nicht." Eigentlich ein guter Ansatz.

Als Motto für die CD "In Teufels Küche" könnte man die Textzeile "Mama sagt, wir sollen ruhig rocken, und ich sag' mir: 'Naja.'" heranziehen. Oder etwas anderes, denn an Statements fehlt es hier nun wirklich nicht ("Glück im Unglück, Dreck im Frühstück", "Ich hab' noch verklebte Finger vom letzten Jahr aus derselben Zeit", "Er putzt seine Zähne nicht, und ich hab' Kotze im Gesicht" etc.).

Entschlossen unentschlossen geht es also zu bei Viktoriapark, die aus ihren Liedern am liebsten gelungene Tocotronic-Parodien machen oder andere Dinge, die man immer zu kennen meint, persiflieren. Meistens kommt man dann aber doch nicht drauf. In Wirklichkeit ist das aber alles gar nicht lustig, sondern todernst gemeint. Kein Wunder, schließlich sind Susie Pinkawa, Tomy Scholz und die anderen ernsthafte junge Menschen: Rund 81 Prozent der Lieder auf der CD sind ganz schön traurig, wahrscheinlich sogar noch mehr. Auf jeden Fall ist es ein angemessener Anteil. Und das ist auch gut so, weil auf diese Weise Susie Pinkawas wunderschöne Stimme viel besser zur Geltung kommt. Zwischendurch wird dann aber auch wieder Krach gemacht, daß es so klingt wie Punk in der Sesamstraße. Und ein trauriges Liebeslied, das in dem Park spielt, über den wir am Anfang sprachen.

Die Record-Release-Party fand trotzdem in geschlossenen Räumen statt, und Viktoriapark waren schon fast fertig, als ich ankam. Eine Entschuldigung? "Wir waren jung und wir brauchten das Geld." Naja, ich war auch spät dran.

Viktoriapark: In Teufels Küche. Eastwest