Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?

Rolf Mares ist Intendant der Komödie Winterhuder Fährhaus in Hamburg

Meine Liebe zum Fußball hat mein Leben lang angehalten, seit ich als kleiner Junge beim Arnsbüttler Turn-Verein mit dem Kicken begann. 1974 nun war ich Direktor an der Hamburger Staatsoper. Ausgerechnet an dem Tag, an dem das WM-Spiel zwischen der BRD und der DDR stattfand, sollte in der Staatsoper die Verdi-Oper Aida, mit Placido Domingo als Radames und Martina Aroyo in der weiblichen Hauptrolle, aufgeführt werden. Domingo, ebenfalls ein großer Fußballfan, und ich hatten deswegen schon lange vor dem Termin ein ernstes Problem ausgemacht: Wie sollen wir es nach der Aufführung überhaupt noch schaffen, rechtzeitig zum Fußballspiel zu kommen?

Das Problem konnte dann ganz einfach gelöst werden: Die Vorstellung wurde auf 14 Uhr vorgezogen und war im Nu ausverkauft, denn der Star-Tenor, begeisterter Anhänger vom FC Barcelona, war schon damals in Hamburg sehr bekannt und der absolute Liebling des Publikums.

Es wurde eine grandiose Aufführung mit über 50 Vorhängen. Wir wurden langsam nervös, denn die Zeit wurde knapp. Domingo machte schließlich dem Publikum Zeichen, daß es aufhören solle zu applaudieren, denn er wolle noch zum Fußball. Er trat dazu mit dem Fuß nach einem imaginären Ball, und die Zuschauer verstanden seine Pantomime sofort, denn rund um das Spiel hatte es schon im Vorfeld großen Wirbel gegeben. Schließlich hörten sie auf zu klatschen.

Nach dem Abschminken fuhren wir beide sofort los ins Volksparkstadion. Ich hatte die Karten schon vorher besorgt. Das Spiel anzuschauen machte mir jedoch überhaupt keinen Spaß, zumal die BRD durch den bewußten Treffer gegen die DDR verlor. Was ich damals natürlich nicht wußte, war, daß diese Niederlage wohl den weiteren Verlauf dieser Fußball-Weltmeisterschaft für die bundesrepublikanische Elf positiv beeinflußte und deswegen als heilsame bewertet werden konnte, denn nach Beckenbauers reinigendem Gewitter, das diesem Match folgte, riß sich die Mannschaft wieder zusammen, der Ausgang der WM ist bekannt.

Domingo war hinterher übrigens genauso sauer wie ich - obwohl er als Spanier natürlich nicht so involviert war - ganz einfach, weil das Spiel so schlecht war.