»Dä Türk« vom Tivoli

Mustafa Denizli soll in der EM-Qualifikation für einen Sieg der Türkei gegen die BRD sorgen

Während man in Deutschland nach dem miserablen Abschneiden bei der Fußball-WM und den jüngsten peinlichen Länderspiel-Auftritten gegen Malta und Rumänien bescheiden geworden ist, spekuliert man in der Türkei am kommenden Samstag auf einen Sieg in der EM-Qualifikation gegen die deutsche Auswahl. Denn auch der türkische Vereins-Fußball ist in dieser Saison international erfolgreich: Für den ersten Tabellenplatz in der Gruppe B der Champions-League wurde dem Trainer von Galatasaray Istanbul, Fatih Terim, gerade eine Auszeichnung - vergleichbar mit dem Bundesverdienstkreuz - verliehen.

Für den Erfolg in der EM-Qualifikation soll Trainer Mustafa Denizli sorgen, der den deutschen Fußball aus eigener Erfahrung hinreichend kennt. Der 48jährige, der als Spieler u.a. bei Galatasaray aktiv war und in der Nationalelf kickte, trainierte in der Saison 1989/90 den damaligen Zweitligisten Alemannia Aachen. Zu diesem Zeitpunkt wurde er in der Türkei bereits als Meistertrainer von Galatasaray Istanbul gefeiert und galt als Kult-Coach.

Nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn war Denizli zunächst Co-Trainer von Jupp Derwall bei Galatasaray gewesen, um später auf Empfehlung seines Freundes Derwall dessen Nachfolge anzutreten. Der Vermittlung Derwalls ist es auch zuzuschreiben, daß er in Deutschland bei der zweitklassigen Alemannia unterschrieb. Dabei war das deutsche Presseecho auf die Ernennung des Mannes, der in der Türkei einen hierzulande nur mit Franz Beckenbauer vergleichbaren Ruf genießt, eher verhalten.

"Dä Türk", wie er in Aachen genannt wurde, wurde dort zwar schließlich akzeptiert, jedoch hauptsächlich deswegen, weil die sportliche Lage der Alemannia zum Zeitpunkt seiner Ernennung so aussichtslos erschien. Auf einmal jedoch sah man sich auf dem Tivoli im Mittelpunkt des Weltinteresses: Internationale Medien berichteten von ganz normalen Zweitligaspielen, die Zuschauerzahlen stiegen plötzlich stark an ("Die Alsdorfer Türken grüßen Alemannia" stand z.B. auf einem Plakat, das ein Bergarbeiter-Block regelmäßig aushängte), ein türkischer Mittelstandsunternehmer wurde Sponsor des Zweitligisten und Auswärtsspiele wurden für die Aachener zu Heim-Events. Die Erfolge von Coach Denizli, in der Türkei "Magier" genannt, verschafften ihm schließlich auch in der deutschen Presse Anerkennung.

Die Aachener Euphorie verflog jedoch schnell, als in der Rückrunde der sportliche Erfolg ausblieb, weil die Integration der in der Winterpause verpflichteten Spieler mißlang. Denizli hatte die Mannschaft zwar aus der Abstiegsgefahr, in der sie sich vor ihm noch befunden hatte, herausgebracht und auf einen sicheren Tabellenplatz geführt, aber Zeit zu experimentieren wurde ihm nicht gelassen. Denn alle bis zu diesem Zeitpunkt mühsam unterdrückten Vorurteile kamen wieder zum Vorschein: Der Trainer könne nicht einmal richtig Deutsch, mokierte man sich hinter vorgehaltener Hand gern auf der Geschäftsstelle - ein Vorwurf, der vorher schon Peter Neururer gegolten hatte, der nach kurzer auf dem Tivoli verbrachter Zeit mit dem Argument "Wenn man hier nicht Platt spricht, hat man keine Chance" das Handtuch geworfen hatte.

Die Aachener Lokalpresse beobachtete darüber hinaus eifersüchtig, daß nach der offiziellen Pressekonferenz eine zusätzliche für die damals zahlreich vertretenen türkischen Medienvertreter stattfand, der schlechte Start in die Rückrunde bot ihr dann die Chance, Zweifel an Denizlis Kompetenz zu wecken. Ende März 1990 quittierte "der Magier" schließlich seinen Trainerposten - nur Minuten später wurde sein Dolmetscher Orhan Güzel darauf hingewiesen, daß nun wieder deutsche Sitten am Tivoli herrschten: Er hatte wie immer seine Füße auf einen Stuhl gelegt, als ein Alemannia-Bediensteter herbeieilte und ihn lautstark aufklärte: "Die Zeiten sind hier vorbei!"

Denizlis damalige Entscheidung wurde ihm mit Sicherheit durch die nur mäßigen Erfolge des deutschen Trainers von Galatasaray, Siggi Held, erleichtert. Sowohl die Fans als auch die äußerst einflußreichen Medien in der Türkei hatten vehement die Wiedereinsetzung von Denizli als Chefcoach des türkischen Spitzenklubs verlangt. Nach dem enttäuschenden Abschneiden der Türkei bei der Fußball-Europameisterschaft 1996 in England übernahm "der Magier" schließlich den Trainerposten bei der türkischen Nationalmannschaft. Mit einem Sieg gegen Deutschland kommenden Samstag könnte Denizli seinen Ruf als Erfolgstrainer in der Türkei festigen.

Für Alemannia Aachen endete die Saison 1989/90, ohne ihn, mit dem Abstieg in die Regionalliga.