Kein Recht auf Fußball-Rausch

In den Niederlanden sollen auch friedliche Fans für Ausschreitungen bestraft werden

"Es ist ja wohl unglaublich dumm, wenn normale, friedliche Fans nicht mehr zu Auswärtsspielen fahren dürfen, nur weil ein paar Idioten sich nicht benehmen können", kommentierte ein Sprecher der niederländischen Fußball-Supporter-Vereinigung FSV die neueste Idee des niederländischen Verbandes, mit der Hooligans bekämpft werden sollen. Eine Kommission des Niederländischen Fußball-Verbandes KNV hatte zuvor erklärt, daß Anhänger von Vereinen, die sich ungesetzlich verhalten haben, zukünftig eine Auswärtssperre auferlegt bekommen und von Spielen ihrer Mannschaften ausgeschlossen werden.

"Die ersten allgemeinen Ausschlüsse wird es wahrscheinlich schon sehr bald geben, aber nicht, bevor die Vereine im Dezember darüber informiert worden sind", erklärte ein Kommissionssprecher gegenüber der niederländischen Tageszeitung De Telegraaf, und betonte, daß diese Strafen nicht nur für auffällig gewordene Fans gelten werden, sondern für alle Anhänger der betreffenden Vereine. Die Dauer dieser Kollektivstrafe wird unterschiedlich sein, beleidigende Sprechchöre, so sieht es die Kommission vor, sollen zu kürzeren Strafen führen als beispielsweise Schlägereien, eine Einspruchsmöglichkeit ist vorgesehen. Die FSV kündigte umgehend eine offizielle Beschwerde beim Fußballverband an.

Seitdem im Frühjahr 1996 bei einer Schlägerei zwischen Ajax Amsterdam- und Feyenoord-Rotterdam-Hooligans der Rotterdamer Anführer Carlos getötet wurde, versuchen niederländische Justiz und Polizei immer wieder erfolglos, das Hooligan-Problem in den Griff zu bekommen.

Zunächst wurde der Supporter-Pass eingeführt. Nur mit ihm können Fans, die bei ihrem Verein registriert sind, Karten für Auswärtsspiele kaufen, die jedoch meist nur in Kombination mit einer organisierten Bus- oder Bahnreise gelten. Die Regelung wurde schnell unterlaufen. Die mit der sogenannten "Combie-Regeling" verbundenen Gemeinschaftsbusfahrten sind vielen Fans zu teuer, so daß nicht nur Hooligans, die keine Lust auf organisierte Reisen inklusive Aufenthalt in einem stacheldrahtumzäunten Gästeblock hatten, sich einfach bei einem der Vereine, deren Anhänger nicht als Sicherheitsrisiko gelten, registrieren ließen, und sich dort "neutrale" Tickets besorgten, die sie später in solche für den eigenen Block umtauschen konnten. Auch Fans verfuhren so, die mit dem eigenen Auto reisen und vor allem in der Woche aus Zeitgründen nicht nach dem Spiel noch stundenlang im Gästeblock festgehalten werden wollten.

Im vergangenen September schließlich wurde die polizeiliche Sonder-Ermittlungsgruppe "Supcri" gegründet, deren verdeckte Fahnder angeblich ausschließlich auf gewalttätige Fußball-Fans angesetzt wurden. Ein Jahr später wurden aufgrund der "Supcri"-Ermittlungen 70 Fußball-Fans verhaftet. Die Medien feierten die Festnahmen als gelungenen, großen Coup - auch wenn die meisten Verdächtigen nach Verhören wieder freigelassen wurden.

Das eher linke Ajax-Fanzine De Ajax Ster kommentierte in seiner September-Ausgabe unter dem Titel "Die Fata Morgana von einer kriminellen Vereinigung" die von der Polizei erhobenen Vorwürfe gegen die 70 Fans u.a. wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Drogenhandel und verbotenem Handel mit Eintrittskarten. Wegen letzterem könne man jedoch, so das Fanzine, wohl beinahe jeden Fan in den Niederlanden verhaften.

"Supcri" hatte zuvor "alle Register gezogen", monatelang Verdächtige abgehört, observiert, fotografiert und gefilmt, die Sonder-Ermittler hörten Telefone ab (drei Monate lang, allerdings ergebnislos, auch das eines Redakteurs von De Ajax Ster), Mobilfunk-Gespräche, die über an bestimmten Autobahnabschnitten stehende Sendemasten liefen, wurden sogar flächendeckend abgehört.

Die Beweislage, so Ajax Ster, sei allerdings trotz des großen Aufwandes dünn: "Gesprächslisten - von jedem Inhaber eines Telefonanschlusses kann so etwas gefertigt werden. Der simple Fakt, daß befreundete Fans einander nun einmal anrufen, wird als außerordentlich verdächtig angesehen. Ajax-Fans rufen vielleicht auch mal Feyenoord- oder Utrecht-Supporter an, aber bedeutet das auch gleich, daß dabei Hool-Treffen abgesprochen wurden?"

Auch die Menge der bei den Verdächtigen beschlagnahmten Drogen, in den niederländischen Medien als Beleg für die weitverzweigten kriminellen Aktivitäten der Verdächtigen gewertet, bewertet De Ajax Ster als eher lächerlich: "In jeder durchschnittlichen Diskothek kann man an einem durchschnittlichen Samstagabend pro Person viel mehr finden. Und überhaupt - haben Fußball-Fans kein Recht auf Eigengebrauch?"