Druck von der Amtsspitze

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat vor allem einen Job: Er klagt gegen Asylanträge, die von Entscheidern anerkannt wurden

Die Vorgaben klingen rechtsstaatlich: "Unabhängig wie ein Richter" sollen die Entscheider des Bundesamtes zur Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) über die Anträge von Asylbewerbern befinden. So steht es zumindest in der hauseigenen Broschüre. Die Realität in der Nürnberger Bundesbehörde und ihren 38 Außenstellen sieht aber anders aus. Nach Worten des Pro-Asyl-Sprechers Bernd Mesovic gibt es im BAFl eine "Fraktion von Ausländerfeinden". Und der Frankfurter Rechtsanwalt Abdul Issa ergänzt aus seinen Erfahrungen: "Das weiß jeder, daß bestimmte Entscheider alles ablehnen."

Tatsächlich wurden haarsträubende Befragungsmethoden bekannt. So ließ der Entscheider Jürgen Stolz in der Außenstelle Frankfurt einen Sudanesen die Wahrscheinlichkeit von sechs Richtigen im Lotto ausrechnen, nachdem sich der Flüchtling als Student der Mathematik vorgestellt hatte. Einen iranischen Flüchtling fragte Stolz nach dem Geschlecht des Pferdes, mit dem er die Grenze zur Türkei überquert hatte. Da die Flüchtlinge bei der Anhörung vor allem ihre Glaubwürdigkeit beweisen sollen, können derartige Fragen bei der Entscheidung eine zentrale Rolle spielen. Bei der Schilderung eines anderen Antragstellers war Stolz der Ansicht, es sei zu berücksichtigen, daß "äußerst bildhafte Darstellungen dem schwarzafrikanischen Wesen entsprechen".

Keine Einzelfälle. "Beim Bundesamt herrscht die Grundeinstellung, daß ein Flüchtling lügt", kritisiert die Frankfurter Rechtsanwältin Antje Becker. In feindseliger Atmosphäre werde oft versucht, Asylbewerber in Widersprüche zu verwickeln, um ihre "Glaubwürdigkeit" in Frage zu stellen. So ließ die Entscheiderin Anke Wehle kürzlich einen afrikanischen Priester lateinische Lieder singen, weil sie dem Mann trotz Priesterausweis seinen Beruf nicht glaubte. Einem schwulen Iraner schrieb Wehle in die Akte, er müsse sich den gesellschaftlichen Normen seines Heimatlandes unterwerfen. Die Bestrafung Homosexueller diene im Iran dem "Schutz der Gemeinschaft der Gläubigen".

In der Akte eines Flüchtlings fand der Villinger Rechtsanwalt Ulrich Hahn handschriftliche Eintragungen, die monatelange Auseinandersetzungen zwischen Referatsleiter, Zentrale und einem Entscheider des Bundesamts dokumentieren. Grund war eine beabsichtigte positive Entscheidung, die verhindert werden sollte. "Oft macht die ganze Hierarchie Druck", berichtet ein Insider: "Nur Anerkennungen müssen dem Referatsleiter vorgelegt werden." Ablehnungen dagegen nicht. Die Dokumente würden als "Entwurf" behandelt, "die Außenwelt bekommt davon nichts mit". Im Fall von Hahns Mandanten beharrte der Entscheider allerdings auf seiner gesetzlich vorgeschriebenen Unabhängigkeit und seiner für den Flüchtling positiven Entscheidung. Genützt hat dies nichts, denn der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten (BBfA) klagte gegen die Entscheidung.

Bisher klagte der BBfA ausschließlich gegen Anerkennungen von Asylanträgen. Allein 1997 wurden 3 772 vom Bundesamt anerkannte Anträge vom BBfA wieder angefochten. Die Behörde mit 30 Mitarbeitern hat ihren Sitz in Zirndorf, ist dem Innenministerium unterstellt und organisatorisch an das Bundesamt angegliedert. "Es muß dem Staat möglich sein, gegen Anerkennungen zu klagen, wenn er damit nicht einverstanden ist", so der BBfA-Leiter Klaus Blumentritt. Der Flüchtling könne schließlich auch klagen. Über 20 Prozent aller Anerkennungen würden wieder angefochten. "Das ist eine Behörde, die geschaffen wurde um die Unabhängigkeit der Entscheider zu beschneiden", kritisiert Rechtsanwalt Hahn. Der Bundesbeauftragte sei eine Einrichtung zur Steigerung der Ablehnungsquote.

Dabei ist der Druck, Ablehnungen zu produzieren, innerhalb des Bundesamts schon groß genug - und kommt von der Amtsspitze: Nach einem "Gespräch mit dem Präsidenten des BAFl", Hans Georg Dusch, teilte der Vorgesetzte der Außenstelle Freiburg seinen Entscheidern mit, der Präsident habe sich "unzufrieden über die Leistungen der Außenstelle gezeigt". Man werde jetzt "täglich vier Antragsteller pro Entscheider zur Anhörung" laden: "In Ihrem eigenen Interesse und mit Rücksicht auf die Schreibkanzlei empfehle ich Ihnen, sich kurz zu fassen."

Viele Gegner der Asylpraxis richteten ihre Hoffnung vergeblich auf die Änderungen, die eine rot-grüne Politik bewirken könne. Schließlich sprach sich die grüne Europapolitikerin Claudia Roth noch während der Koalitionsverhandlungen für eine grundsätzlich andere Flüchtlingspolitik aus. Auch das Anhörungsverfahren des BAFl müsse verbessert werden. Roth: "Man hört oft, daß man im Bundesamt Karriere macht, je ablehnender man entscheidet." Von einer Abschaffung des Bundesbeauftragten, wie sie Roth gefordert hatte, ist im Koalitionsvertrag aber nicht die Rede.