Land, Frieden, Granaten

Das Friedensabkommen zwischen Israelis und Palastinensern kennt neben unzufriedenen Verhandlern auch einen eindeutigen Sieger: den US-Auslandsgeheimdienst CIA

Wer ist denn nun der Sieger der Friedensgespräche von Wye River?
"Der in der Monica-Affäre belagerte Bill Clinton", dessen Verhandlungserfolg ihm "Ruhm" - wenn auch nur "flüchtigen" - einbringe, wie die Süddeutsche Zeitung am Wochenende spekulierte? Oder Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der mit Clinton trotz Rauchverbot im Konferenzzentrum um die Wette qualmte, wie die Berliner Zeitung zu berichten wußte. Gar Clintons Hund Buddy, der während der Verhandlungen Palästinenserpräsident Yassir Arafat begeistert habe (Berliner Zeitung) und insgesamt viel gestreichelt worden sei (taz)?

Viel nüchterner und realistischer ist da der US-Fernsehsender CNN: "Die am Freitag erzielte Übereinkunft fordert Übersee-Operationen der CIA, um den israelisch-palästinensischen Streit über den Arrest von verdächtigen Terroristen, den Umgang mit Grenzkontrollpunkten und anderen Sicherheitsfragen zu regeln." Oder kurz: And the winner is ... the CIA.

In der Tat wird der Auslandsgeheimdienst der USA künftig zwischen Tel Aviv und Jericho maßgeblichen Einfluß haben. Ein von Arafat am vergangenen Freitag zugesagter Plan für Sicherheitsgarantien, der spätestens einen Monat nach dem israelischen Truppenrückzug vorliegen soll, scheint nicht auf die Mithilfe der Firma verzichten zu können. Wenn Israels Regierung künftig sagt, diese Terroristin oder jener Aktivist der islamistischen Hamas besitze illegal Waffen oder bereite Anschläge vor, haben die palästinensischen Behörden sie oder ihn festzunehmen.

Als Koordinator und Kontrolleur zwischen beiden Seiten fungiert dabei ganz offiziell die CIA. Eine weitere Hauptaufgabe der US-Agenten dürfte ihnen nicht ganz unbekannt sein: zu überwachen, daß Gefangene nicht vorzeitig aus der Haft entlassen werden - in diesem Fall Hamas-Aktivisten aus palästinensischen Gefängnissen.

Das neue und am vergangenen Wochenende erzielte Abkommen von Wye River nahe der US-Hauptstadt Washington D.C. zum israelisch-palästinensischen Friedensprozeß hat keinem der beiden Verhandler gut gefallen: Sowohl Netanjahu als auch Arafat standen vor, während und erst recht nach den Gesprächen unter enormem Druck von ihren mehr oder weniger Lieben daheim: Kritisierte Hamas-Gründer Scheich Achmed Jassin in der Einigung einen "Ausverkauf palästinensischer Interessen", sahen Israels Siedlerverbände im Handeln Netanjahus einen "Verrat an nationalen Ideen".

Doch auch Kabinettsmitglieder der israelischen Regierung kündigten an, das Abkommen nicht anerkennen zu wollen. Justizminister Tzahi Hanegbi, Kommunikationsministerin Limor Livnat und Wissenschaftsminister Silvan Shalom behalten sich nach Informationen der israelischen Tageszeitung Ha'aretz vor, Netanjahu ihre weitere Unterstützung zu verweigern. Wenn es nach ihnen ginge, und erst recht nach dem Willen der rechts-religiösen Splitterparteien im israelischen Parlament, wäre es der "Land-gegen-Frieden"-Regelung von Wye River ebenso ergangen wie den Themen Jerusalem (als mögliche Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates), Wasserversorgung, Grenzen und deren Kontrolle, jüdische Siedlungen - und dem mittelfristigen Status Palästinas: Sie wäre nicht behandelt worden. Einen Teilrückzug der israelischen Armee aus insgesamt 13 Prozent der West-Bank-Zone C (die allein unter der administrativen und militärischen Hohheit Israels steht) innerhalb der nächsten zwölf Wochen hätte es auch nicht gegeben. Ebensowenig die Überführung von 14 Prozent des West-Bank-Gebiets aus der sogenannten Zone B (die einer Mischform aus palästinensischer Zivil- und, letztlich entscheidend, israelischer Militärverwaltung untersteht) in die Zone A (die allein von den Palästinensern kontrolliert wird).

Auch wäre allen Beteiligten ein hübsches Naturschutzgebiet, das drei Prozent der Zone B umfaßt und nicht bebaut werden darf, zwei schicke Transitkorridore, ein moderner Flughafen und ein adretter Mittelmeerhafen in Gaza entgangen. Und Israel hätte seine rund 3500 palästinensischen Gefangenen behalten dürfen, von denen nun mindestens 750 freigelassen werden sollen.

Aber auch Arafat wäre bei einem Abbruch der Gespräche nicht nur die Anwesenheit der US-Schlapphüte erspart geblieben. Der Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) muß nun spätestens zwei Monate nach dem israelischen Truppenabzug zusammentreten, um alle anti-israelischen Passagen aus der Palästinenser-Charta von 1964 zu streichen.

Und das sind nicht wenige: Die PLO-Charta enthält beispielsweise den Artikel 9, in dem "der bewaffnete Kampf als einziger Weg, Palästina zu befreien" angegeben wird. In Artikel 19 wird die Gründung des Staates Israel schlicht als "illegal" bezeichnet und dem Judentum abgesprochen, eine Nation gründen zu können.

Zwar wird in der Charta eine Zerstörung Israels nicht explizit benannt, doch haben nicht nur Israels Konservative häufig und zu Recht einzelne Passagen des PLO-Grundsatzpapiers als Angriff auf ihr Existenzrecht verstanden. Obwohl Arafat 1988 vor einer UN-Vollversammlung die "gesicherte Existenz Israels" anerkannte, blieb die Praxis der PLO, aber auch vieler anderer nichtislamistischer Palästinenser-Organisationen zwiespältig: Immer wieder wurden, wenn auch zum Teil örtlich und zeitlich beschränkt, Bündnisse mit den anti-jüdischen Schlächtern der Hamas gesucht - und gefunden.

Einer ihrer prominentesten Killer, der gleichzeitig Sprecher und Chef der Hamas in Jordanien ist, Khaled Meshaal, warnte Arafat noch während der Verhandlungen: "Keine Konzessionen - Israel exisitiert nicht." Und damit dies nicht als bloßer Wunschtraum verstanden würde, hetzte die Hamas einen der ihren, Salem Radschab Sarsur, auf den "Todfeind". In der zentral gelegenen Stadt Beersheba zündete Sarsur am Montag vergangener Woche an einer großen Busstation zwei Handgranaten und verletzte dabei knapp 70 Menschen. Die Hamas bekannte sich umgehend zu dem Anschlag.

Jibril Rajoub, Sicherheitschef der Palästinensischen Autonomiebehörde, beschuldigte prompt den israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Bet, Sarsur "rekrutiert zu haben". Der Anschlag habe Netanjahu einen Vorwand liefern sollen, die Friedensgespräche in Wye River abbrechen zu können, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen, erklärte er Ha'aretz. Dabei habe Sarsur unmittelbar nach dem Handgranatenanschlag in Beersheba Augenzeugen erklärt, "die Hamas habe ihn geschickt, um das Attentat auszuführen", weißdie konservative Tageszeitung Jerusalem Post.

Tatsächlich scheint Sarsur irgendwann Kontakt zu Shin Bet aufgenommen zu haben. Doch nach den ersten Treffen habe der Geheimdienst "nichts mehr von ihm gehört", berichtete Jerusalem Post Mitte vergangener Woche unter Berufung auf eine Recherche des unabhängigen Fernsehsenders Channel 2. Die linksliberale Ha'aretz kam zu einem ähnlichen Ergebnis: "Sarsur verbrachte in der Tat Zeit mit Shin Bet-Agenten - am Montag, nur wenige Augenblicke nach seiner Festnahme in Beersheba."