Euskadi olé!

Die Eta hat ihre sozialen zugunsten der nationalistischen Ziele aufgegeben.

Am Ende der neunziger Jahre und rund vier Jahrzehnte nach ihrer Gründung ist von dem ursprünglichen Ziel der Eta - ein unabhängiger sozialistischer Nationalstaat - nur noch eine Forderung übrig geblieben: die nationale Unabhängigkeit. Die "soziale Frage" wird hingegen vom militanten, sich sozialistisch nennenden Nationalismus kaum noch gestellt.

Auf Eta bezieht sich heute das linksnationale legale Spektrum MLNV (Baskische Bewegung der nationalen Befreiung), das eine Vielzahl von Organisationen beinhaltet, etwa die Gewerkschaft Lab oder die Frauenkoordination egizan, sowie die linksnationalistische Partei HB, Herri Batasuna (Volkseinheit).

Auch die linksnationalistische Gewerkschaft Lab buttert für den antikolonialen Kampf soziale Kämpfe unter, vermischt beides und fordert "elementare Rechte der Völker und Arbeiter".

Durch die nationalistische Verschleierung von Klassenwidersprüchen erklärt sich die Aktionseinheit der Lab mit der traditionell-nationalistischen Gewerkschaft Ela. In keinem anderen politischen Bereich funktioniert die Kooperation von militantem und etabliertem nationalistischem Milieu so verläßlich. Weil Ela und Lab vor allen Dingen nationalistisch sind, gibt es keine Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften der spanischsprachigen Arbeiter, UGT und CC.OO. Nationale Bündnispolitik ist wichtiger als konkrete soziale Kämpfe. Der Unmut über Ausbeutung soll umgeleitet werden in den Kampf für die baskische Nation.

Die Unterordnung der sozialen Kämpfe ging soweit, daß Mitte der achtziger Jahre die MLNV in allen Basisbewegungen die "nationale Selbstbestimmung" zum Hauptziel erklärte - worauf diese sich spalteten. Seither gibt es auf allen Feldern sozialer Bewegung eine linksnationalistische Präsenz. Außer im Bereich der Totalverweigerung drohen die nicht-nationalistischen Bewegungen dabei an den Rand gedrängt zu werden. Beim Militärdienst klappte dies deswegen nicht, weil nur wenige Jugendliche einsahen, warum ein baskisches Militär besser sein sollte als das spanische.

In den sechziger Jahren spalteten sich zwei linke Fraktionen von der Eta ab, die heute die Organisation Zutik bilden. Diese kritisiert am antikolonialen Kampf der Eta, daß es sich beim Baskenland um einen entwickelten Industriestandort handle und nicht um eine Kolonie. Darüber hinaus sollen MigrantInnen (aus Spanien und anderswo) auch ohne Bekenntnis zur baskischen Nation die gleichen Rechte wie nationalistische BaskInnen besitzen. Bis heute lehnen Eta, HB und die gesamte linksnationalistische Bewegung diese Positionen ab. Einzig die Kritik an der Militarisierung des Konfliktes durch die Eta nehmen sie ernst. Und auch dies erst seit kurzem.

Am 18. September erklärte die Eta einen unbegrenzten Waffenstillstand. Sie wolle die neuen politischen Entwicklungen abwarten, die eine neue Chance für die nationale Unabhängigkeit bedeuten könnten. Damit reagierte die Eta auf die fünf Tage zuvor beschlossene "Erklärung von Lizarra". Zur Lösung des Konfliktes im Baskenland wird darin auf die Möglichkeit einer Unabhängigkeit verwiesen. Statt von Sozialismus war von Frieden die Rede.

Die Erklärung von Lizarra wurde nicht nur von HB unterschrieben, sondern von sämtlichen baskisch-nationalistischen Parteien einschließlich der konservativen PNV sowie von der "Vereinigten Linken". Dadurch steht Lizarra für ein Ende der Isolation der Eta, die als politischer Faktor anerkannt wurde.

Zeitlich fast parallel konnte HB ihre Isolation als Partei überwinden. Um dem drohenden Verbot vorzubeugen, initiierte sie zu den Regionalwahlen am 25. Oktober die offene Liste EH - Euskal Herritarrok (Baskische Bürger), die 18 Prozent der Stimmen erhielt.

Die bunt zusammengewürfelte Liste EH wird ein Verbot von HB erschweren. Die Drift nach rechts, hin zum traditionellen baskischen Nationalismus, wird sie nicht aufhalten. Viele Funktionäre von HB wollen endlich die Verweigerung der Mitarbeit im Parlament zugunsten einer Regierungsbeteiligung im nationalistisch-baskischen Bündnis aufgeben.

Die neue Liste EH hat Stimmen gewonnen, die konservative PNV regiert weiterhin ohne EH bzw. HB. Dennoch gibt es keinen Grund, EH - wie es manche aus der Soil-Bewegung tun - zur stärksten radikalen Linken in Westeuropa zu erklären. Denn die Liste vertritt nichts weiter als eine Ansammlung nationalistischer Platitüden. In Euskadi Informaci-n stand am 27. September in der Kurzvorstellung des Wahlprogrammes von EH unter dem Stichwort Ökonomie: "Ökonomische Souveränität für die Zukunft, Schaffung von baskischen ökonomischen Räumen, eigene ökonomische Planung. Schaffung einer baskischen Zentralbank, eines baskisch-staatlichen Kreditinstitutes, eines durch die Basken definierten Steuersystems. Tarif- und Arbeitsrecht im Bereich des Baskenlandes, Schaffung von baskischen Statistik- und Planungsinstituten."

Bisher stand neben solchen Aussagen des linksnationalistischen Spektrums noch der positive Bezug auf den militanten Aktionismus der Eta, wodurch sich die Positionen vom traditionellen bürgerlichen Nationalismus unterschieden. Nun ist als einziges die Forderung nach staatlich geplanter Wirtschaft geblieben. Unter Befreiung stelle ich mir was anderes vor.

Die gruppe demontage veröffentlichte das Buch "Postfordistische Guerilla. Vom Mythos nationaler Befreiung" im Unrast Verlag