Wahlen in den USA

Gegen - nicht für!

Es ist schon erstaunlich, daß mehr als 36 Prozent der US-Amerikaner offensichtlich immer noch glauben, Wahlen könnten etwas ändern. Insbesondere viele Schwarze und Latinos haben sich am Dienstag der vergangenen Woche zu den Wahlurnen begeben, um den Republikanern eins auszuwischen. Denn die meisten Wähler stimmen gegen den schlechteren Kandidaten und fast nie für denjenigen, dem sie ihre Stimme geben.

Ich gebe zu, daß ich das auch getan habe. Ja, ich habe gewählt. Und zwar nicht nur irgendwelche Bürgerinitiativen oder die neben Republikanern und Demokraten entstehenden "dritten Parteien", sondern auch den demokratischen Gouverneurskandidaten in New Mexico. Ich hatte die Initiativen auf dem Wahlzettel schon angekreuzt, und auf einmal ging die - mir schon als Kind eingebleute - demokratische US-Gesinnung mit mir durch: Ich stimmte tatsächlich für den Demokraten.

Denn der republikanische Gouverneur ist eine Katastrophe. Er möchte lieber Gefängnisse als Schulen finanzieren, das Big Business steuerfrei lassen und ist gegen Sozialhilfe, Gewerkschaften sowie das Recht auf Abtreibung. Ein Durchschnittsrepublikaner also, der dafür von der Bevölkerung wiedergewählt wurde. Der Demokrat wäre zwar auch schlecht, aber nicht so schlecht gewesen.

Ein großer Unterschied besteht ohnehin nicht. Die Programme der beiden großen Parteien variieren nur wenig - außer, wenn es um Abtreibung, die Gewerkschaften und die Affirmative Action, eine Art Quotenregelung für Minderheiten, geht. Für die Todesstrafe und eine Kürzung der Sozialhilfe, für noch härtere Strafen für Drogendealer und gegen eine Schulsubventionierung sind die Kandidaten (fast) alle. Von einer garantierten Krankenversicherung redet niemand mehr.

Das ist auch bei jenen so, die sich neben den Republikanern und den Demokraten auf der parlamentarischen Ebene zu etablieren versuchen. Im Bundesstaat Minnesota gewann zwar der "unabhängige" Kandidat der Populistenpartei Ross Perots: Der ehemalige Wrestling-Star und Marinesoldat Jesse "The Body" Ventura ist nun der zweite "independent governor" in den USA. Ventura konnte sich voll auf sein populistisches Gespür verlassen.

Die Green Party, die in der Hoffnung auf institutionelle Beteiligung im großen leeren Raum links von den Demokraten erwartungsvoll auf das Wählervotum blickte, bekam in einigen wenigen Gegenden immerhin über zehn Prozent der abgegebenen Stimmen. Mancherorts konnte sie sich gar über den Einzug in ein Stadtparlament freuen, etwa im kalifornischen Santa Monica.

In Kalifornien wurde auch der Sieg über den Rechtsaußenflügel der Republikaner bejubelt: Der Gouverneurskandidat und bisherige Vize Dan Lungran verlor gegen seinen demokratischen Widersacher. Kalifornien galt als Hochburg der Republikaner, und das Ergebnis war ein deutliches Signal. Auch im US-Repräsentantenhaus büßten die Republikaner fünf Sitze ein. Trotz der Medienberichte über William Clinton und seine Praktikantin, und obwohl Republikaner und Demokraten sich gegenseitig in moralischer Abscheu und Enttäuschung übertrafen, steht der Präsident nun als Sieger da.

Seine Demokraten sind gegen das geforderte Amtsenthebungsverfahren, die Republikaner strikt dafür, weil sie diesem "unmoralischen Schwein" im Weißen Haus endlich die Leviten lesen wollten. Insbesondere Newt Gingrich, der Hauptprotagonist der "konservativen Revolution", hatte sich für diese Wahlkampflinie stark gemacht und ist jetzt - neben der Moral natürlich - der große Verlierer; am Samstag erklärte er sowohl seinen Rücktritt als Sprecher des Repräsentantenhauses und seine Absicht, nach dieser Amtsperiode aus der Politik auszuscheiden. Sein rechter, sich auf die christlichen Fundamentalisten stützender Kurs steht damit innerparteilich zur Disposition.

Daß sowohl Republikaner wie Demokraten im Wahlkampf die "family values" so stark betonten, beweist, wie weit das Parteienspektrum schon längst nach rechts gerutscht ist. Daran ändert natürlich auch ein taktisches Kreuzchen gegen die Republikaner nichts.