Zug nach Nirgendwo

Wird der Transrapid nun am Rhein gebaut - oder gar nicht?

Als Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) sich vergangene Woche in die Diskussion um den Bau der Magnetschwebebahn Transrapid einmischte, versuchte er auf einen Zug aufspringen, den die Regierung von Mecklenburg-Vorpommern gerade im Begriff steht, fahren zu lassen.

"Wenn Hamburg-Berlin nicht gebaut wird, bauen wir die Referenzstrecke" kündigte der ehemalige NRW-Wirtschaftsminister gegenüber dem Nachrichtenmagazin Focus an. Nicht auf Stelzen solle die Bahn dann durch die Landschaft schweben, sondern in einer Mulde direkt neben der Autobahn A3 die Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn verbinden. Damit, so Clement, werde das gesamte Projekt billiger, weil der Grund ohnehin dem Bund gehöre. Eine weitere Startbahn am Düsseldorfer Flughafen könne mit dem Transrapid am Rhein ebenfalls eingespart werden. Denn wenn die Fluggäste zwischen den Airports pendeln könnten, werde man Düsseldorf für innereuropäische Flüge nutzen und Köln/Bonn für den Interkontinentalverkehr ausbauen.

Nicht erst die Dementi des Transrapid-Gesellschafters Thyssen Industrie AG und Bundesverkehrsministers Franz Müntefering (SPD), die Clements Vorstoß als Einzelaktion bezeichneten, bestätigten die Unsinnigkeit des Vorschlags. Der Transrapid würde für die 50 Kilometer zwischen Köln und Düsseldorf 15 Minuten brauchen und könnte dabei nicht schneller als 250 km/h fahren. So schnell fährt aber auch der ICE, der auf genau dieser Strecke soeben gebaut wird. Als "Referenzstrecke" für mögliche Interessenten im Ausland würde die kurze Verbindung nicht taugen, weil der Transrapid seine Höchstgeschwindigkeit von 450 km/h überhaupt nicht zeigen könnte. Es ist auch kaum anzunehmen, daß sich viele Fahrgäste finden würden, die freiwillig den hohen Tarif für die High-Tech-Magnetschwebebahn zahlen, wenn der ICE dieselbe Verbindung fast ebenso schnell bedient.

Den Verdienst, daß für den Hochgeschwindigkeitszug nun überhaupt eine andere Strecke im Gespräch ist als Hamburg-Schwerin-Berlin, darf sich die traditionell technikverliebte Düsseldorfer Staatskanzlei allerdings nicht selber anheften. Die Parteifreunde in Mecklenburg-Vorpommern waren es, die in ihrer Regierungsvereinbarung mit der PDS den Satz unterschrieben, dem Transrapid werde "keine Unterstützung" mehr zukommen. Der zum Bauminister avancierte PDS-Landesvorsitzende Helmut Holter prüft derzeit sogar, welche Möglichkeiten das Land hat, den Transrapid-Bau ganz zu stoppen.

Im Schweriner Stadtparlament begreift man das Prestigeobjekt deutscher Hochtechnologie derweil weiterhin als konjunkturbelebende Investition: Zwei SPD-Stadträte legten vergangene Woche aus Protest gegen die "standortfeindliche" Haltung der Landes-SPD ihr Amt nieder. Sie stimmten damit in den Tenor der CDU ein, deren Fraktionsvorsitzender Eckardt Rehberg nicht verstehen kann, wie eine "kostenlose arbeitsplatzschaffende Investition" einfach abgelehnt werden könne.

Vielleicht haben die neuen Regierenden in Mecklenburg sich ja nicht nur die Studien der eigens für das Transrapid-Projekt ins Leben gerufenen "Planungsgesellschaft für Magnetbahnsysteme" angesehen, sondern auch Untersuchungen zahlreicher Umweltschutzverbände - vom Naturschutzbund über den Bund für Umwelt und Naturschutz bis zum Verkehrsclub Deutschland -, die allesamt betonen, daß der Transrapid zu wenig energieeffizient und zu teuer sei. Einhellig bezeichnen auch der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin und sein Ressortkollege in Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Methling (PDS), das Bauvorhaben Transrapid als "Fehlinvestition".

Ihre Hoffnungen setzen die Schweriner und Berliner Befürworter der Schwebebahn nun in den alten Clement-Freund Franz Müntefering. Der hatte vergangene Woche erklärt "Alternativstrecken" seien Spekulation: "Wer den Transrapid will, muß jetzt an dem einen Projekt festhalten." Aber laut rot-grüner Koalitionsvereinbarung sollen nicht mehr als die 1997 zugesagten 6,1 Milliarden Mark bereitgestellt werden. Und die Chancen für die Einhaltung dieses Rahmens stehen schlecht. Das Eisenbahnbundesamt errechnete jüngst in einem Gutachten, daß das Transrapid-Projekt Hamburg-Berlin statt zehn wohl 12,8 Milliarden Mark kosten wird. Die Finanzierungslücke könnte auch mit den Mitteln der Thyssen AG nicht gestopft werden.

Sollte die Strecke Hamburg-Schwerin-Berlin wegen der hohen Kosten fallengelassen werden oder am Widerstand der Regierung in Mecklenburg-Vorpommern scheitern, hätte Clement mit seiner Light-Variante gute Chancen. Im internen Kampf gegen den Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen um umstrittene Großprojekte hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident ja schon Übung. Nach Garzweiler II könnte er der Öko-Partei dann mal wieder zeigen, wer in NRW das Sagen hat.