Achse Moskau-Berlin

Deutsch-russsische Träume von Eurasien. Ex-Rep Harald Neubauer war in der Kreml-Stadt

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel erzählen. Harald Neubauer hat eine Reise getan, läßt aber erzählen. Sein neuer Mitredakteur Dietmar Engelhard bei der faschistischen Monatsschrift Nation & Europa berichtet in der jüngsten Ausgabe über die Visite des ehemaligen Rep-Europaparlamentariers Neubauer in Moskau. Der ewige Prediger einer "Einheit der Rechten" war vom Geopolitischen Ausschuß der Staatsduma eingeladen worden, um am 30. September bei der Konferenz "Geopolitische Ergebnisse der Konferenz der Chefs europäischer Mächte in München 1938" als Referent aufzutreten. Es ging also vordergründig um jenes Treffen, deren Ergebnis als "Münchner Abkommen" unrühmlich in die Geschichte einging.

Nur vordergründig, weil im Hintergrund des historischen Rückblicks und der Analyse Gedanken über die angestrebte geopolitische Umgestaltung Europas einschließlich Rußlands bis Wladiwostok standen. Kein Grund zum Streit vor rund 50 Teilnehmern zwischen Gastgeber Alexej Mitrofanow und Gast Neubauer. Mitrofanow betonte, daß die geplante Osterweiterung der Nato sich ebenso gegen Rußland wie gegen Deutschland richte. Letzteres sei dann von Nato-"Partnern" umringt, was eine freie Gestaltung der Beziehungen zu Rußland unmöglich mache. Entschiedene Zustimmung kam vom deutschen Faschisten für den russischen.

Quasi als Köder für ein Kampfbündnis bietet Mitrofanow Nord-Ostpreußen, für das er das Modell einer "gemeinsamen russisch-deutschen Wirtschaftszone" vor Augen hat. Auch die Frage der zu Polen gehörenden ehemaligen deutschen Ostgebiete müsse "auf den Verhandlungstisch". Einigkeit zwischen Mitrofanow und Neubauer herrscht auch bei der Ansicht, daß es in einer unipolaren Welt darum gehe, ein solides Gegengewicht zum Hauptfeind USA zu schaffen. Der von dem Russen vorgeschlagenen Achse Berlin-Moskau-Tokio fügte der deutsche Neofaschist noch Paris als weiteren Partner hinzu. Nur, um unnötigen Streit im Westen zu vermeiden. Gemeinsames strategisches Ziel ist das alte Konzept eines eurasischen Kontinentalblocks.

Mitrofanow ist Mitglied der Liberaldemokratischen Partei Rußlands, hat es aber in den Jahren seit der Wahl zur Staatsduma 1995 erfolgreich verstanden, sich der weitgehenden Isolation seines Parteivorsitzenden Wladimir Schirinowski und der gesamten Partei zu entziehen. Im Unterschied zur Mehrheit seiner Parteifreunde pflegt er vielfältige Bündnisbeziehungen bis hin zur russischen "Neuen" Rechten. Dies wurde auch an der Auswahl der Gesprächspartner deutlich, mit denen Neubauer in Moskau zusammentraf.

Anatolij Iwanow etwa ist wissenschaftlicher Berater des Geopolitischen Ausschusses der Duma und zugleich Vorsitzender der russischen Sektion der rechten Synergies Européennes. Zu seinen Grundtheoremen gehört die Ansicht, daß der Nationalismus nur dann seine vollständige Wirkungsmacht entfalten könne, wenn er durch das soziale Element ergänzt werde. Der Kapitalismus als Wirtschafts- und Denkweise widerspreche dem Volkscharakter der Russen. Er gilt als enger Vertrauter von Mitrofanow, ist Mitarbeiter zahlreicher russischer Blätter der extremen Rechten und auch schon in einschlägigen deutschen Zeitschriften als Autor hervorgetreten.

Von ähnlichem Kaliber ist Neubauers Gesprächspartner Wladimir Awdejew, Iwanows Stellvertreter bei den Synergies Européennes, der versucht, die Ideen der deutschen Konservativen Revolution besonders in ihrer Ausformung eines "soldatischen Heroismus" in Rußland zu popularisieren.

Von geringerem Bekanntheitsgrad ist Neubauers dritter Gesprächspartner, der Historiker Pawel Tulajew, der die Zeitschrift Ahnenerbe herausgibt. Von ihm findet sich in der aktuellen Ausgabe von Nation & Europa ein Artikel "Deutsche und Russen - Partner mit Zukunft?". Tulajew versucht darin, "eurasische Zukunftsmodelle" zu begründen. Eine enge deutsch-russische Kooperation sei im Wortsinne natürlich, denn neben der "rassischen Verwandtschaft" habe Deutschland stets befruchtend auf das russische Geistesleben gewirkt. "Auch der Aufbau des Sozialismus in der UdSSR und im Dritten Reich, der wiederum viele gemeinsame, aber auch viele gegensätzliche Züge aufwies, muß unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden." Vor 1941 sei in der UdSSR "die Sympathie für das neue nationalrevolutionäre Deutschland vorherrschend" gewesen.

Das, was Iwanow als eine notwendige "Allianz der Roten und der Weißen", als Verknüpfung von Nationalismus und der konservativ-revolutionären Variante des Antikapitalismus, propagiert, greift Tulajew auf, indem er seine eigene Variante einer - positiv begriffenen - Totalitarismustheorie beisteuert: "In der Tat läßt sich, vergleicht man den nationalsozialistischen und den bolschewistischen Stil, viel Gemeinsames entdecken: die antikapitalistische Arbeitsethik, der militärische Uniformismus, die Propagierung von Sport und gesunder Lebensweise, der Neoklassizismus in der Architektur und Bildhauerei sowie in der Malerei."

Die russische Variante des Links-Rechts-Crossovers also. Nur daß sie dort bereits viel weiter gediehen ist als in Deutschland. Doch die hiesigen Neofaschisten, Neubauers Beispiel zeigt es, wissen: "Von Rußland lernen, heißt siegen lernen."