Frohe Botschaften

Gefährliche Orte XLVII: Die Diplomaten kommen! Bei einigen Neubauten gibt es jedoch Ärger

Wie baut man ein Regierungsviertel? Gar nicht so einfach: Erstmal ein bißchen planen, sich Kritik einfangen, dann ein bißchen was verändern und an Ende sind alle unzufrieden, weil ihre Interessen nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Die US-amerikanische Botschaft zum Beispiel. Ende Oktober freute man sich in der diplomatischen Vertretung noch, daß Präsident Clinton die Gelder für einen Botschaftsneubau am Pariser Platz, direkt neben dem Brandenburger Tor, freigegeben hat. Nur richtig sicher fühlen sich die Diplomaten dort nicht. Nach den Anschlägen auf US-Botschaften in Afrika wollen sie einen Sicherheitsabstand von mindestens 30 Metern zur nächsten Straße.

Annalie Schoen, bei der Senatsbauverwaltung für die Hauptstadtentwicklung zuständig, kann die Sorgen der USA zwar verstehen, aber städteplanerisch sei das schwierig: "Alle Berlinbesucher wollen doch zum Brandenburger Tor oder Potsdamer Platz. An einem so prominenten Ort müssen wir die öffentliche Nutzbarkeit garantieren." Auch die für das Holocaust-Mahnmal vorgesehene Fläche müsse "angeknabbert" werden - "das ist sicher nicht besonders glücklich".

Für die US-Diplomaten ist der Bebauungsplan außerdem schon einmal geändert worden. Die vorgesehenen fünf Meter Abstand zu den angrenzenden Straßen waren ihnen drei Meter zu wenig. Behrens- und Ebertstraße wurden daraufhin zuerst auf dem Reißbrett, dann in der Realität entsprechend verschoben. Unter Sicherheitsaspekten, weiß Schoen, wäre das Diplomatenviertel in Tiergarten für die US-Botschaft "ideal", aber dort müßten die Vereinigten Staaten zunächst ein neues Grundstück erwerben.

Senatssprecher Andreas Butz betont hingegen, daß man die Botschaft prinzipiell gerne in Mitte sähe, schließlich war es von US-Seite ja eine bewußte historische und politische Entscheidung, die Vertretung dort zu planen, wo sie schon in den zwanziger Jahren stand. Gemeinsam werde zur Zeit an einem Sicherheitskonzept gearbeitet, aber so richtig einig sei man sich dabei noch nicht. "Elektronische Überwachungssysteme bieten viele neue Möglichkeiten", meint Butz, hält sich aber sonst bedeckt über den Stand der Verhandlungen. Vor rund einem Monat hat er sich schon den Ärger von US-Botschafter John Kornblum zugezogen, weil er der Presse mitteilte, eine Straßenverlegung komme auf keinen Fall in Betracht.

Nicht nur Mitte und Tiergarten, auch andere Bezirke sind mit dem Ausbau der Hauptstadt zum schröderreifen Regierungssitz beschäftigt. Wilmersdorf beispielsweise: Eigentlich bekannt für die dort beheimateten Witwen, wird der Bezirk auf einmal richtig international. "13 Staaten sind hier in Wilmersdorf vertreten", freut sich Baustadtrat Alexander Straßmeir (CDU) - darunter so bedeutsame wie die Philippinen, das Scheichtum Kuwait und die Republik Makedonien. Schon fast ein kleines diplomatisches Viertel.

Wirklich offiziell sieht bisher aber nur das israelische Generalkonsulat in der Schinkelstraße aus. Schon von weitem ist das sensible Objekt zu erkennen. Die Straße ist gesperrt, Poller wurden aufgestellt, der Parkplatz des gegenüberliegenden Umweltbundesamtes verkleinert und zwei Polizisten zeigen ständige Präsenz. Wachsam beobachten die Uniformierten das Wenige, was in der näheren Umgebung des Gebäudes vor sich geht. In ihrem kleinen Unterschlupf, der sie vor Regen und Kälte schützt und in der Grundfläche etwa einen Quadratmeter mißt, haben sie es sich richtig gemütlich gemacht: Ein kleines Bildchen hängt an der Wand und ein Ölradiator heizt ihnen richtig ein.

Aufpassen rund um die Uhr ist ihr Job, erzählen sie nicht ohne einen gewissen Stolz, und von der Bewachung des Konsulats hat "der Bürger" ja auch etwas: "Eingebrochen worden ist hier in der Straße schon lange nicht mehr." Mit diesem Standortvorteil der Anwohner ist es aber bald vorbei, denn im Zuge des Hauptstadtausbaus wird die israelische Botschaft von Bonn nach Berlin ziehen.

In der Schinkelstraße ist dafür zu wenig Platz, deshalb wird rund einen Kilometer weiter südlich ein neues Botschaftsgebäude entstehen: Auguste-Viktoria-Straße, Ecke Reinerzstraße. Ein idyllisches Fleckchen, gegenüber liegt die großzügige Anlage des Grunewald Tennisclub e.V., eine Grünfläche mit Kinderspielplatz und zwitschernden Vögelein darf auch nicht fehlen. Sehr schön insgesamt. Und bald wird es hier noch schöner, denn die israelische Architektin Orit Willenberg-Giladi will das künftige Botschaftsgelände grüner gestalten als bisher. Von dem Gebäude, das noch bis Weihnachten die Evangelische Fachoberschule für Sozialpädagogik und die Berufsfachschule für Sozialwesen beherbergt, soll nur der denkmalgeschützte Teil stehenbleiben: Eine Villa aus den zwanziger Jahren, gebaut im Auftrag des jüdischen Kommerzienrates Herrmann Schöndorff, der sie 1934 verkaufte, um vor den Nazis nach Paris zu fliehen. Daneben soll ein dreigeschossiger Neubau entstehen, der weit weniger Fläche des knapp 9 000 Quadratmeter großen Grundstücks einnimmt.

Einige Anwohner sehen das zusätzliche Grün aber nicht als Bereicherung an, sie haben vor dem Verwaltungsgericht Klage gegen die Ausnahmegenehmigung der Wilmersdorfer Bauverwaltung eingereicht. "Ein anderes Bürogebäude dürfte hier auch nicht entstehen", begründet dies Jürgen Dreiss*. Um die israelische Botschaft selbst, beteuert der Rechtsanwalt, gehe es ihm gar nicht, sondern allein um den Schutz seiner Familie. Anschläge seien ja nicht ganz auszuschließen.

Dreiss ist zwar nicht der einzige Kläger, aber doch ein Einzelkämpfer: "Mich mit den Nachbarn hier zusammentun, das will ich gar nicht. Es ist doch ein sehr sensibles Thema." In der Gegend munkelt man aber schon von einer Bürgerinitiative gegen den Botschaftsneubau. Bisher nicht öffentlich, trotzdem wissen die meisten davon. Eigentlich geht es ja ums Geld, aber das wird nur anonym verraten: "Die Leute werden doch ihre Häuser nicht mehr los, wenn das hier erst einmal Sicherheitszone ist."

Dabei soll die Umgebung nach den Plänen der israelischen Botschaft in Bonn gar nicht richtig abgeriegelt werden. Das neue Sicherheitskonzept, erklärt Pressesprecher Din Heiman, ist vor allem auf Integration in die Umgebung aus: "Soviel Transparenz wie möglich, ohne in Sicherheitsfragen Abstriche zu machen." Nur auf dem Gelände selbst sollen die Schutzmaßnahmen stattfinden. Mit den Anwohnern sei man schon seit Planungsbeginn in Kontakt, und die 38jährige Architektin Willenberg-Giladi betont, Anregungen von künftigen Nachbarn im Entwurf berücksichtigt zu haben. Nachdem Mitte November die Klage gegen die Ausnahmegenehmigung des Bezirks bekannt wurde, sind der Bonner Botschaft Willkommensbriefe von anderen Leuten aus der unmittelbaren Umgebung des neuen Standorts zugegangen.

Auch Baustadtrat Straßmeir zeigt sich überzeugt, daß die juristische Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Botschaftsbau und den Interessen der Anwohner gründlich abgewägt wurde. Was eine richtige Hauptstadt sein will, die kann auch nicht immer allen alles recht machen: "Wir können nicht die sicherheitsrelevanten Gebäude aus der Stadt verbannen."

(* Der Name wurde von der Redaktion geändert.)