Kabila bockt

Der Krieg im Kongo soll noch im Dezember beendet werden

Nun also doch. Nicht sicher, auch nicht wahrscheinlich. Aber vielleicht und unter Umständen werden ab Mitte Dezember die Waffen in der Demokratischen Republik Kongo ruhen.

Darauf haben sich zumindest am Rande des 20. afro-französischen Gipfels der kongolesische Staatschef Laurent Kabila und sein verbündeter Amtskollege aus Zimbabwe, Robert Mugabe, mit den Alliierten des Konfliktgegners aus Uganda und Ruanda verständigt. Vertreter der Rebellenallianz RCD, die das Gros der seit vier Monaten gegen die Kabila-Allianz kämpfenden Truppen stellt, waren von den Gesprächen ausgeschlossen.

Unter der Vermittlung von UN-Generalsekretär Kofi Annan und dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac war kurz vor dem Abschluß des Gipfels wenigstens noch in Ansätzen zustandegekommen, was eigentlich das Top-Thema des dreitägigen Meetings sein sollte. Ergebnis: Über einen Waffenstillstand soll bis zum nächsten Treffen der Organisation für Afrikanische Einheit am 17. und 18. Dezember verhandelt werden. Von Vorabsprachen oder gar von einem Abkommen kann jedoch keine Rede sein: "Ich habe keine Übereinkunft unterzeichnet", äußerte Kabila nach den Gesprächen.

Der ruandische Staatschef Pasteur Bizimungo war noch pessimistischer: "Ich denke nicht, daß wir einen Fortschritt gemacht haben." Bizimungo hat vermutlich recht: Bereits im August und nochmals Anfang September waren Verhandlungen über einen Waffenstillstand vereinbart worden. Doch statt einer Umsetzung der Vereinbarung wurden von beiden Seiten immer neue Truppen an die wechselnden Fronten geschickt. RCD-Sprecher Ernest Wamba di Wamba brachte es auf den Punkt: "Verhandlungen, die uns ausschließen werden nicht effektiv sein, weil sie einfach nicht in Kraft treten werden."

Die Situation nach den Gesprächen gleicht somit der vor den Gesprächen: Klar ist nur, daß ein anderes Ereignis, nämlich die Verhaftung Augusto Pinochets, die Gespräche sowie eine Demonstration im Vorfeld des afro-französischen Gipfels beeinflußt hat. Hieß es früher noch "Freiheit", wahlweise für alle oder die politischen Gefangenen, wurde am vergangenen Mittwoch in Paris die Forderung nach Knast laut: Rund tausend Demonstranten aus unterschiedlichen afrikanischen Staaten forderten die sofortige Verhaftung afrikanischer Regierungschefs. Sobald diese in Paris ihr Flugzeug verlassen würden, um am Gipfel teilzunehmen, solle die französische Polizei zuschlagen.

Viele Togolesen wollten ihren mittels Wahlmanipulation erst jüngst im Amt bestätigten Präsidenten hinter Gittern sehen, Exilierte aus Kongo-Brazzaville ihr Staatsoberhaupt Denis Sassou N'Guesso. Die angolanischen Demonstranten zeigten sich besonders ideenreich: "Zusammenlegung von Pinochet und Dos Santos" stand auf einem Transparent. Von den 34 offiziell zum Gipfel geladenen Staatschefs wären mindestens 25 inhaftiert worden, wenn die Demonstranten sich hätten durchsetzen können.

Doch die meisten Stimmen wurden gegen Kabila laut, der zudem noch von Menschenrechtsorganisationen angezeigt worden war. Wegen "Verbrechen gegen das internationale Recht" in Frankreich und wegen "schwerer Menschenrechtsverletzungen" zuvor in Belgien und Italien.

Kabilas Europa-Tournee war denn auch mehr von hastigen Erklärungen der Gastgeber geprägt, dem Gast politische Immunität zu garantieren. Dabei rückte die ursprüngliche Intention, Kabila endlich an den Verhandlungstisch zu bringen immer mehr in den Hintergrund. Sowohl Italiens Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro als auch seine belgischen und französischen Amtskollegen und nicht zuletzt der Papst mußten die Weigerung Kabilas zur Kenntnis nehmen, sich mit Vertretern der kongolesischen Rebellen-Allianz RCD zu treffen.

Doch auch Kabilas Intention, auf seiner Reise, wenn nicht neue Bündnispartner in Belgien oder bei den französischen Sozialisten zu gewinnen, so zumindest international wieder salonfähig zu werden, ging nicht auf. Zu sehr ist er außerhalb seiner Kriegskoalition, der sich offiziell neben Angola, Namibia und Zimbabwe jüngst auch der Tschad angeschlossen hat, isoliert.

Allzu traurig braucht dies Kabila nicht zu stimmen: Neben den offiziellen Freunden verhalten sich auch der Sudan, Libyen und die Zentralafrikanische Republik loyal im Kampf gegen die Aufständischen im Osten des Kongo und deren Verbündete.

Die Weigerung Kabilas, an direkten Friedensgesprächen teilzunehmen, prägte bis zum Schluß auch den Gipfel in Paris. Statt über eine Lösung der Kongo-Krise zu diskutieren, wurde noch bis Samstag mittag Nebensächliches wichtig. Frankreich durfte seine "neue Afrika-Politik" erklären: Die einstigen Kolonien und Einflußgebiete südlich der Sahara sollen stärker sich selbst überlassen bleiben. Vor allem werde es aus Paris künftig keine Einmischung mehr in dortige Krisen geben. Der Abbau der französischen Truppen in Afrika von derzeit 8 000 auf 6 000 soll der "neuen Politik" ebenso Rechnung tragen wie die Auflösung des einst mächtigen Kooperationsministeriums. Künftig soll das Außenministerium dessen Aufgaben übernehmen.

Frankreich projektierte somit eine Afrika-Politik, die lediglich den Fakten von gestern Rechnung trägt. Spätestens seit dem Sturz des Diktators Mobutu Sese Seko durch Kabila vor knapp zwei Jahren hat Frankreich in Zentral-Afrika nichts mehr zu melden. Französische Soldaten hatten zuletzt nur noch die Aufgabe, im Krisenfall für eine Evakuierung französischer Zivilisten zu sorgen. Und für die Auflösung des Kooperationsministeriums haben die Beamten des Hauses durch zahlreiche aufgedeckte Korruptionsfälle und Absprachen mit privaten oder halbstaatlichen Energie-Konzernen und afrikanischen Alleinherrschern selbst gesorgt.

Hinzu kommt, daß die Dominanz Frankreichs auch in Westafrika schwächer wird. Zahlreiche der 14 westafrikanischen Staaten, die durch die gemeinsame Franc-CFA-Währungszone zumindest ökonomisch noch eng mit Frankreich verbunden sind, setzen nicht mehr allein auf Paris. Immer stärker wurden in den letzten 15 Monaten auch US-Firmen an Konsortien zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen beteiligt.

Doch Frankreich kann sich trösten: Die vielgepriesene "neue" Afrika-Politik des Konkurrenten USA ist ebenfalls gescheitert. Die beiden US-Zöglinge Ruanda und Uganda weigern sich seit Wochen, der Aufforderung aus Washington nachzukommen, die eigenen Truppen aus dem Kongo abzuziehen. Im Gegenteil brüskierte die ruandische Regierung ihren Patron erst Anfang November, als die ruandische Militärpräsenz im Kongo erstmals offiziell zugegeben wurde.

Damit hatte die Regierung in Kigali auf Berichte reagiert, nach denen zunehmend Angehörige der ehemaligen Hutu-Armee des ostafrikanischen Staates, die 1994 für die Ermordung von rund einer Million Menschen in und um Ruanda verantwortlich waren, auf der Seite Kabilas kämpfen und dessen Armee mit Waffen versorgen.

Zu diesem Schluß kam vergangene Woche auch ein UN-Bericht. Darin wird den extremistischen Hutu-Organisationen vorgeworfen, in großen Teilen Afrikas ein Netz zum Waffen- und Drogenhandel aufgezogen zu haben und erneut die politische Macht in der Region der Großen Seen beeinflussen zu wollen. Mit dem Wiederauftauchen der Hutu-Krieger auf der politischen Bühne steuere "die Situation in der Region rapide auf eine Katastrophe zu", äußerte Mahmoud Kassem, der Verfasser des UN-Berichts.

Denn der Krieg im Kongo ebbt nicht ab. Beide Seiten verstärken nach wie vor ihre Truppen und lancieren Erfolgsmeldungen: Die Pro-Kabila-Allianz ließ vergangene Woche verlauten, man befinde sich im Osten des Landes in der Offensive und habe den Rebellen schwere Verluste zugefügt. Das Dementi aus dem RCD-Hauptquartier folgte prompt. Die südafrikanische Tageszeitung Mail and Guardian sieht hingegen die RCD-Einheiten auf dem Vormarsch. Diese würden sich in Richtung der süd-östlich gelegenen und rohstoffreichen Provinz Katanga bewegen. Als sicher kann zur Zeit nur gelten, daß die Aufständischen etwa ein Drittel des Kongo kontrollieren. Und diese Kontrolle mit Sicherheit nicht abgeben werden.