Landtagswahlen in Südtirol

Los von Rom

Bei so einem Wahlergebnis wird sogar der ansonsten recht kühle Macher Luis Durnwalder von heftigen Emotionen gebeutelt: Als der Südtiroler Landeshauptmann am vorvergangenen Samstag erfuhr, daß seine Südtiroler Volkspartei (SVP) berauschende 57 Prozent der Stimmen erhielt, stammelte er nur noch, es sei "wie ein Traum".

Und so ähnlich ist das Wahlergebnis tatsächlich einzuordnen - für ihn: Immerhin regiert die SVP das kleine Alpenland am Brenner seit 1948 ununterbrochen und hatte sich im Wahlkampf eigentlich schon mit dem Verlust der seit 40 Jahren andauernden absoluten Mehrheit abgefunden. Weniger zufrieden konnten Jörg Haiders rechte Truppen, die Freiheitlichen, sein: Ihr Stimmenanteil schmolz von sechs auf magere zwei Prozent zusammen.

Daß die SVP ihre absolute Mehrheit halten konnte, ist auf die starke Betonung des Charakters der SVP als Minderheiten-Partei zurückzuführen. Denn in Südtirol sind Fragen der Autonomie, des Österreichertums und der schrittweisen "Los-von-Rom"-Selbstverwirklichung noch immer ein Thema.

Die Mehrheit der Südtiroler ist deutscher Zunge, und diese Mehrheit wählt überwiegend die SVP: Sie gilt als Anwalt der Deutschsprachigen und befriedigte besonders in diesem Wahlkampf die Gelüste ihrer Mandanten. Luis Durnwalder forderte in jeder seiner Reden eine Ausdehnung der ohnehin schon recht großzügigen Autonomie. Außerdem erwartet er von Rom, die starke Militärpräsenz zu verringern.

Besonders handfest sollten die Gelüste des Landeshauptmanns wohl verstanden werden, als er auch die Abschaffung des römischen Regierungskommissariates forderte. Eine Lanze für echtes Deutschtum brach Durnwalder auch, als er sich weigerte, in Zukunft deutschsprachige und italienische Fakultäten an den Südtiroler Universitäten zusammenzulegen: Die Trennung im Bildungssektor sollte zwecks Reinhaltung deutschen Lehrgutes aufrechterhalten bleiben.

Nicht verzichten wollte der Landeshauptmann natürlich auch auf die Dankbarkeit gegenüber den Regierenden in Wien. Österreich hat sich verpflichtet, die Schutzmacht in Tirol zu mimen und jeden Versuch einer Beschneidung der Autonomie durch Rom mittels diplomatischer Intervention abzuschmettern.

In den achtziger Jahren noch fühlten sich auch viele Nordtiroler als Schutzmacht ihrer südlichen Brüder und Schwestern: Symbole des italienischen Staates in Südtirol wurden regelmäßig weggebombt, auch Tote waren zu beklagen.

Da der Fall Südtirols an Italien im Jahr 1918 noch immer als Wunde im patriotischen Sitzfleisch klafft, fanden die Bombenattentäter in Südtirol auch bei der Wiener Regierung regelmäßig Verständnis. Selbst der Wiener Sozialdemokrat und Langzeit-Bundeskanzler Bruno Kreisky rechtfertigte in den siebziger Jahren die Attentate der Freischärler in einer Rede vor der Uno-Generalversammlung als Verzweiflungstat eines "geknechteten Volkes".

Auch wenn die Anschläge manchmal einen hohen Blutzoll forderten, genossen Attentäter aus Nordtirol trotz internationalem Haftbefehl aus Italien in ihrem Herkunftsland völlige Straffreiheit. Zwecks Verbesserung der wirtschaftlich wichtigen Beziehungen zu Österreich muß der italienische Staatspräsident Luigi Scalfaro gefaßte Attentäter regelmäßig begnadigen. Südtirol also - und dafür wird die SVP auch weiterhin sorgen - bleibt ein Dauerbrenner im angeblich zusammengewachsenen Europa.