A Tribe Called Rock

Hardrock vs. HipHop: Nashville Pussy sind lauter als Texta. Und schmutziger

Als ich neulich in der Interim gelesen hatte, daß die Hippie-Combo Cochise sich wieder zu einem Comeback zusammengefunden hat, kramte ich eine Musikkassette aus den Tiefen der achtziger Jahre hervor und war entsetzt: So soll der Protest damals geklungen haben? Da muß man ja schon eine ordentliche Portion Humor mitbringen. Nein, Protest muß - so eine der wenigen brauchbaren Lehren aus den siebziger Jahren - laut und schmutzig klingen. Denn er stellt sich nicht über sein Thema, sondern über seinen Ausdruck dar.

Laut und schmutzig sind Nashville Pussy schon, aber mit Protest-in-Popmusik-Diskussionen haben sie nur wenig am Hut. Das hier ist Rock and Roll! Nashville Pussy interessieren sich für ganz und gar andere Dinge. Gitarristin Ruyter Suys beispielsweise hat eine 1984er SG, die sie spielt wie eine halbaufgedrehte 1970er Marshall. Sagt sie zumindest. Und Sänger Blaine Cartwright bedient eine Gibson (undatiert). Sie machen das ganz gut, aber man weiß bei alledem nicht so genau, was diesen Menschen außer Gitarrenjahrgängen noch so wichtig ist. Bier und Sex vermutlich. Und eine gute Show natürlich, denn Nashville Pussy verstehen sich - wie es sich für echte Rock'n'Roller gehört - als Liveband. Davon hat man als Schallplattenkonsument, der sich lieber nicht aus dem Hause wagt, allerdings nur wenig.

Wie alles andere auf dieser Welt ist natürlich auch Nashville Pussy eine Lüge. Blaine Cartwright kommt aus Kentucky, Ruyter Suys aus Vancouver, Bassistin Corey Parks aus Kalifornien und Trommler Jeremy Thompson aus Texas. Nashville Pussy spielen ein doppeltes gemischtes Doppel mit verteilten Rollen, das gendermäßig nur schwer aufzulösen ist. Alle zusammen leben sie in Atlanta/Georgia - kein Wort also von Nashville/Tennessee. Aber das geht auch in Ordnung, denn der Country-Appeal, den der Name verspricht, wird in keiner Zeile eingelöst. Statt dessen geht es hier um Rockmusik. Sie erinnern sich noch? AC/DC und so.

Laut. Und schnell.

Trotzdem fällt es ganz schön schwer, das hier als Hype zu verkaufen. Denn weil sich Nashville Pussy nur für ihre Gitarren, für Sex und Bier interessieren, könnten sie höchstens einmal ein Interview in Gitarre & Baß geben, würden aber niemals eine Rezension in der Spex bekommen. Die kümmern sich nämlich am liebsten um deutschsprachigen HipHop. Wußten Sie eigentlich, daß es den sogar schon in Österreich gibt? Ich auch nicht. Texta versuchen, das Gegenteil zu behaupten. Mit dem Walkman auf dem Kopf gehen sie durch Linz. Das ist eine Stadt in Österreich. Keiner weiß so genau, was da passiert, und eigentlich will das auch keiner so genau wissen. Wo liegt Linz überhaupt? Muß irgendwo bei Slubice sein, auf jeden Fall weit weg von Nashville.

Die Jungs von Texta machen schwer auf Freundeskreis, deren Sänger kurz nach der Bundestagswahl gestanden hat, sein Kreuzchen bei MLPD, APPD oder Chance 2000 gemacht zu haben, so richtig festlegen wollte er sich da nicht. Texta geben sich jedenfalls als Boheme: Sie stehen spät auf. Morgens ist man zu nichts zu gebrauchen und fühlt sich deshalb von der Gesellschaft ausgestoßen. Manchmal muß man aber eben doch früh raus. Was machen die dann bloß?

Texta sind aber nicht nur fürchterlich dissident, sondern auch ganz schön mutig. Oder zumindest fast. Neil-Young-Samples zu verwenden wagen sich ja nur wenige. Aber wenn es um Drogen gehen soll, fällt Texta nicht viel anderes ein. Dabei hätte Konstantin Wecker doch viel näher gelegen, aber das traut sich dann doch wieder keiner. Ansonsten geht es um Dinge, die so passieren: arbeitslos werden, kiffen, der Bahnhof, die Eltern, DJ Blumentopf, Respekt, Multikulti und wie man so ein Lied macht.

Fragen, die sich Nashville Pussy gar nicht zu stellen brauchen. Die quälen einfach ihre Instrumente und ihre Zuhörer, wie es ihnen paßt, können herumbrüllen, anstatt auf den korrekten Flow aus Hamburg, Stuttgart oder Linz achten zu müssen. Keine hippen Partys mit den Produzenten, sondern ein Fest, bei dem man sich lieber auf seine Triebe konzentriert. Und das ist allemal subversiver als ein DeutschHop.

Aber darum geht es dabei auch gar nicht.

Eben.

Nashville Pussy: Let Them Eat Pussy, Mercury Records
Texta: Gediegen, Geco Tonwaren