Das Wunder von Zagreb

Überraschende Bewegungen auf den Konten der Familie Tudjman schwächen Kroatiens Präsidenten und seine HDZ

Von Kroatiens Präsidenten Franjo Tudjman ein Interview zu bekommen, ist fast unmöglich. Seiner Presseabteilung geht es weniger um die Bedeutung der Zeitung als um deren Tudjman-Freundlichkeit. So verlangte man von einer Journalistin, die den obersten Kroaten für eine große österreichische Tageszeitung interviewen wollte, daß sie zunächst mindestens zehn Artikel vorlegen solle, in denen sie positiv über Tudjman berichtet habe.

Dabei geraten die Regierungsmethoden Tudjmans und seiner Partei, der Kroatischen Demokratischen Bewegung (HDZ), immer mehr in Bedrängnis. Erst am vergangenen Donnerstag scheiterten Gespräche zwischen Tudjman und den sechs im Zagreber Parlament vertretenen Oppositionsparteien. Seit Anfang November lähmt ein Boykott der Opposition das Parlament, weil deren sämtliche Abgeordnete sich weigern, in den parlamentarischen Ausschüssen mitzuarbeiten.

Radimir Cacic, der Vorsitzende der kroatischen Volkspartei begründete den Boykott der Parlamentsarbeit mit der zunehmenden "Bedeutungslosigkeit des Parlaments". Durch die absolute Mehrheit der HDZ ist die parlamentarische Opposition mit ihrem Ansinnen nach mehr Transparenz in der kroatischen Politik schon mehrmals gescheitert. Unmittelbarer Anlaß für den Boykottbeginn der Abgeordneten war deren - natürlich von der HDZ-Mehrheit abgelehnter - Wunsch, die Machenschaften des kroatischen Geheimdienstes offenzulegen.

Der Sicherheitsdienst, der Tudjman direkt untersteht, faßt seine Aufgaben nämlich relativ großzügig auf: Nach Berichten mehrerer unabhängiger Zeitungen, beispielsweise der Feral Tribune, benutzen Tudjman und die HDZ die Geheimdienstler zur Bespitzelung von Oppositionellen oder kritischen Journalisten. Außerdem betätigen sich die Agenten im Dienste des Staatsoberhauptes auch gerne als Meister der Desinformation und infiltrieren die staatlich kontrollierten Medien mit Gerüchten über Oppositionspolitiker.

Der Geheimdienstskandal beschäftigt nun auch die kroatische Bevölkerung. Bisher betrachtete sie Tudjman hauptsächlich als Wegbereiter der staatlichen Unabhängigkeit und galt damit als nicht kritisierbar. Doch von der Verklärung als glorreicher Staatsbegründer ist mittlerweile wenig übriggeblieben: Hatte seine HDZ bisher bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit sicher, so ist die Kritik und Unzufriedenheit kaum noch zu übersehen.

Bei einer von der unabhängigen Tageszeitung Jutarnji List im November veröffentlichten Umfrage unter mehr als 2 000 Kroaten halten über die Hälfte der Befragten die HDZ für "undemokratisch", etwa ebenso viele meinen, ihre Wirtschaftspolitik sei verfehlt. Ein schlechtes Zeugnis stellen die Kroaten auch den einzelnen Führungspolitikern der HDZ aus: Nur 13 Prozent halten die HDZ-Chefs für "ehrlich". Die Sozialdemokraten hingegen sind in dieser Kategorie Spitzenreiter. Immerhin 24 Prozent der Befragten glauben, sie sei "ehrlich". Deutlich waren bei der Umfrage von Jutarnij List auch die Antworten auf die Frage, ob es einen Regierungswechsel in Kroatien geben solle: 67 Prozent beantworteten diese Frage

mit "Ja".

Der Prestigeverlust der HDZ ist mit den persönlichen Glaubwürdigkeitsproblemen von Präsident Tudjman verbunden. Die Partei ist stark auf ihren Chef zugeschnitten, interne Rivalen wurden von Tudjman entweder ihrer Ämter enthoben oder pensioniert. So geriet nicht nur Tudjman, sondern auch die HDZ in Turbulenzen, als jetzt auf den privaten Konten der Tudjmans eine wundersame Geldvermehrung ausgemacht wurde: Ankica, die Ehefrau des Präsidenten, zahlte im März umgerechnet rund 210 000 Mark auf ihr Privatkonto ein. Tudjman und Gattin hatten weit geringere Summen für ihr privates Vermögen angegeben. Über die Bareinzahlung, deren Herkunft bisher nicht geklärt wurde, ist wenige Tage, nachdem sie getätigt wurde, in einer Zeitung berichtet worden. Tudjmans Frau beteuerte, es handele sich um Honorare für von ihrem Mann geschriebene Bücher.

Die Zagrebacka Banka setzte daraufhin eine Belohnung von umgerechnet 300 000 Mark für Hinweise aus, die auf die undichte Stelle in der Bank hinwiesen. Und wenige Tage später gestand eine Bankangestellte, die Zeitung informiert zu haben, weil sie es für unerträglich hielt, daß Menschen in Kroatien hungern müßten, während die Tudjmans sich bereicherten. Die Frau sitzt nun im Knast in Zagreb. Ihr droht eine bis zu fünfjährige Haftstrafe wegen Verletzung des Bankgeheimnisses.

So einfach will die Präsidentengattin den Fall aber nicht als erledigt abtun. Sie erklärte, die Offenlegung der Konten sei Teil einer Kampagne zum Sturz ihres Mannes.