Kein großes Ding

Gefährliche Orte XLVIII: Berlin ist dreckig, aber das soll sich jetzt ändern - Peter Strieder klebt Plakate für eine saubere Zukunft

Schwanzvergleich beim Senator für Stadtentwicklung: "Keine große Sache. Wie sein Ding." Mit diesem und anderen ähnlich humoresken Sprüchen läßt Peter Strieder (SPD) seit Ende letzter Woche die ganze Stadt zukleistern. Und das nur, damit alles sauberer wird.

Berlin ist nämlich ganz schön dreckig, und das soll sich jetzt mal wieder ändern. Denn die Stadt gehört uns: "Berlin. Es ist Eure Stadt." Das ist natürlich nicht so ernst gemeint, wie es zunächst klingt, sondern nur der Titel von Strieders neuester Wasch-dich-Kampagne; die Eigentumsfrage soll dabei nicht gestellt werden. Hier geht es nämlich um gehobene Pädagogik. Eine Million Mark, 250 000 Faltblätter, 140 000 Postkarten, 1 080 Plakate, sieben Wochen, sechs Motive und eine Handvoll privater Sponsoren - das sind die Eckdaten der Aktion.

Neben dem Piß-nicht-an-die-Wand-Plakat gibt es noch andere lustige Motive aus Strieders Spaßfabrik zu Themen wie Neben-den-Aschenbecher-Aschen ("Etwas daneben. Wie sie selbst."), Hundekot-auf-der-Straße-liegen-Lassen ("Nur ein kleines Würstchen. Genau wie Herrchen.") und Bilder-an-Wände-Malen ("Schnell am Drücker. Langsam im Kopf."). Schon erstaunlich, was man in der Stadt so alles falsch machen kann, wenn man nicht richtig aufpaßt.

Verstehen muß man das alles nicht, denn die Plakate sollen "provozierend und frech" sein. Sagt Strieder. Der Stadtentwicklungssenator will die Leute bei ihrer eigenen Verantwortung packen: "Wenn du eine saubere Stadt willst, dann laß auch nichts in der Gegend herumliegen", will er den Leuten mitteilen. Dumm nur, daß die Leute, die die Sachen liegen lassen, sich in der Regel nur wenig um Großstadthygiene sorgen. Darum muß unser Polizeichef Hagen Saberschinsky auch etwas deutlicher werden: "Es geht um das Wir-Gefühl", verkündet er, und jeder Blockwart weiß sofort, was damit gemeint ist.

Zuerst soll aber die Polizei selbst ran: 60 000 unartige Müllwegwerfer wurden schon im letzten Jahr dingfest gemacht, und künftig sollen es noch mehr werden. Die Tarife für "Umweltsünden" sind vorsichtshalber schon anständig erhöht worden.

In Neukölln geht das nämlich so: Du brauchst deinen alten Küchentisch nicht mehr, also stellst du ihn unten auf den Gehweg neben die Litfaßsäule. Eine Viertelstunde später prüfen die ersten Passanten die Qualität des Stückes, und eine gute Stunde später ist es abgeräumt. Das ist traditionelles Recycling: wenig Aufwand, ökologisch und sozial verträglich.

Saberschinsky findet das allerdings häßlich und will für diese Art der Müllbeseitigung inzwischen bis zu 600 Mark kassieren. Der hat aber vermutlich auch noch nie versucht, bei der Sperrmüllstelle der Berliner Stadtreinigung BSR anzurufen.

Im Krisenbezirk gibt es außerdem seit kurzem die "Initiative für ein sauberes Neukölln". Deren Forderungen gehen mit denen von Strieder und Saberschinsky d'accord und sogar noch ein wenig darüber hinaus: "1. Schluß mit dem Drogenhandel vor den Schulen, 2. Schluß mit der Untätigkeit der Polizei und der Gerichte, 3. Entlassung des faulen Kob mit dem Namen B." Wer das ist und was er gemacht - oder vielmehr nicht gemacht - haben soll, weiß bislang kein Mensch. Überhaupt ist der Neukölln-Hype schon ziemlich am Ende: Sogar der Spiegel, einstmals Stadtteilzeitung für Ruhe und Ordnung im Bezirk, kümmert sich inzwischen nur noch um die Mißstände im weit abgelegenen Wedding.

Im März 1997 war das noch anders. Der Regierende Eberhard Diepgen (CDU) höchstpersönlich ließ sich im Neuköllner Drogenpark Hasenheide beim Aufräumen fotografieren. Eine freilich nur symbolische Handlung des Regierungschefs, um den kurz zuvor ins Leben gerufenen "Aktionsplan Sauberes Berlin" von Strieder und dessen damaligem Kollegen aus dem Innenressort, Jörg Schönbohm (CDU), zu unterstützen.

Der Versuch blieb ohne Wirkung. Schönbohm erklärte zwar vorausschauend, daß "der Kampf gegen das Graffiti-Unwesen lang und mühsam werden" würde, und Strieder ("schnell

am Drücker, langsam im Kopf") übertünchte daraufhin sogar einige der störenden Sprayereien eigenhändig. Aber die wachsen über Nacht nach - da kann der legasthenische "Nofitti"-Verein des Tempelhofer CDU-Rechtsaußen Dieter Hapel ebensowenig dran drehen wie die nachtaktive "AG Graffiti" der Polizei.

Doch unsere beiden Aufräum-Experten sind nicht die alleinige Putz-Avantgarde in Berlin: Noch vor Strieder und Schönbohm kam der Wirtschaftssenat - damals noch unter der Leitung des von vielen verkannten Elmar Pieroth (CDU) - auf die Idee, der frischgebackenen Hauptstadt eine ordentliche Grundreinigung zu verpassen. "Sechs-Punkte-Plan für ein sauberes Berlin" hieß die Aktion im Sommer 1996. "Schnelle Eingreiftruppen" wurden zur Beseitigung von Hundekot aufgestellt, und "Öko-Ranger" sollten sich um den Restmüll kümmern.

Viel passiert ist seitdem nicht, daher drängt Strieder nun auf Eigeninitiative. Einen ersten Unterstützer hat der reinliche Senator schon gefunden: Der "Hunde-Ripper von Rudow" (B.Z.) erledigt das Problem auf seine Weise, indem er die Gehwegscheißer mit Gift-Häppchen erlegt. Denn das sind schließlich nur kleine Würstchen, genau wie ihre Herrchen - aber was macht man mit denen? Das Aufräumen in der Hauptstadt ist also keine große Sache, fragt sich nur, wessen Ding es sein wird.

Und Strieders Aktion? Etwas daneben. Wie er selbst.

Die "Mach mit"-Hotline der Aktion "Berlin. Es ist Eure Stadt" ist zu erreichen unter 030 - 90 25 11 59.