Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?

Rainer Holzschuh ist Chefredakteur beim Kicker

Bei dieser WM war ich zum ersten Mal als Reporter des Kicker eingesetzt. Ich gehörte der West-Redaktion an und war von morgens bis abends im Einsatz, um über die Mannschaften zu berichten, die in nordrhein-westfälischen Stadien spielten oder in der Gegend ihre Quartiere hatten. Es war für mich faszinierend, die verschiedenen Mannschaften kennenzulernen, am meisten hat mich wohl das Team von Zaire beeindruckt, denn ich hatte zuvor noch nie eine afrikanische Mannschaft spielen sehen.

Das Spiel zwischen der DDR und der Bundesrepublik sah ich deshalb nicht live und im Stadion, sondern vielleicht im Trainingslager irgendeiner Mannschaft - ich erinnere mich an Faszination und Emotionalität, natürlich hielt ich zur DFB-Auswahl, das war ja gewissermaßen die eigene Mannschaft. Das Sparwasser-Tor hat mich sehr aufgeregt, vorher hatte man ja eine ziemlich große Klappe, und dann das. "Verdammt nochmal, jetzt schaffen wir es nicht!" dachte ich, aber schließlich wurde das Team doch Weltmeister. Viele der Spieler von 1974 kenne ich heute persönlich, sowohl die der DDR als auch die bundesdeutschen. Seitdem bin ich bei jeder WM dabeigewesen, danach bin ich regelmäßig urlaubsreif. Allerdings nicht in dem Sinne, daß ich vom Fußball genug hätte - ich kann mich auch nach einer Überdosis Kicken noch auf Spiele freuen. Am vorletzten Mittwoch habe ich zum Beispiel das Spiel der italienischen Nationalmannschaft gegen eine Weltauswahl live gesehen, in der ersten Halbzeit war es eine so schöne Begegnung, daß ich mich richtig darüber gefreut habe, daß ich dabei sein konnte.

Das liegt wohl auch daran, daß ich, seitdem ich denken kann, Fußballer bin, ich habe früher selbst gekickt und schon als kleiner Junge alles, was mit Fußball zu tun hat, verfolgt, meistens am Radioapparat. Sogar mein erstes Fernseherlebnis verdanke ich dem Fußball: Das war 1954, ich war zehn und konnte die WM-Halbfinalbegegnung zwischen Österreich und Deutschland sehen.

Den Kicker kannte ich schon damals, wir hatten montags und donnerstags in der ersten Stunde immer Religion, da las ich ihn immer heimlich unter der Bank. Da wollte ich eigentlich schon Sportjournalist werden, zu meinem Traumberuf kam ich allerdings erst Jahre später. Durch einen Zufall: Ich studierte Jura in Regensburg und saß mit Freunden eines Abends beim Bier zusammen, als plötzlich einer begann, uns sein Leid zu klagen. Er war damals schrecklich verliebt und sollte am folgenden Sonntag endlich die Eltern des Mädchens, das er heiraten wollte, kennenlernen, aber an dem Tag mußte er eigentlich bei einer kleinen Zeitung in der Sportredaktion arbeiten. Ich bot ihm an, für ihn einzuspringen, und so rechnete ich für eine Mark 50 in der Stunde Tabellen aus. Das war mein Einstieg.