Abidjan-Harare 4:2

Der afrikanische Vereinsfußball wird durch französische Fernsehgelder langsam kommerzialisiert

Als kürzlich der afrikanische Fußballclub Asec aus Abidjan in C(tm)te d'Ivoire zu einem ziemlich wichtigen Spiel antrat - Gegner waren die Dynamos aus Harare, amtierende Meister von Zimbabwe, und einer der hoffnungsvollsten Vereine des Kontinents -, da handelte es sich um ein nicht nur lokal verfolgtes sportliches Großereignis. Neben den 50 000 Zuschauern im Félix-Houphou't-Boigny-Stadion von Abidjan konnte man in ganz Afrika das Spiel ansehen, denn das Fernsehen übertrug das Match auf dem gesamten Kontinent live. Immerhin handelte es sich um das Rückspiel im Finale der afrikanischen Champions League, mithin also um den Kampf um die bedeutendste Trophäe, die ein Club in Afrika gewinnen kann.

Die vom Argentinier Oscar Fullone trainierten Abidjaner machten dabei kurzen Prozeß mit ihren Gegnern und sicherten sich mit einem souveränen 4:2-Sieg erstmals den Pokal. In einem nicht besonders spannenden Match: Schon vor dem Seitenwechsel hatten der Nachwuchsstürmer Vasssango Camara mit zwei Toren und Sié Donald mit einem Treffer für die 3:0-Führung und damit die Vorentscheidung gesorgt.

Dabei war man nicht überall so ganz restlos überzeugt vom glatten Asec-Sieg: Die Dynamos beklagten hinterher das sprichwörtliche Verletzungspech, denn in der 35. Minute hatte ihr Torhüter Chirambadare beim Stand von 1:0 verletzt ausgewechselt werden müssen, sein Ersatzmann Muzadzi hatte bei den beiden folgenden Gegentreffern nicht allzu gut ausgesehen. Zwei Minuten nach dem Wiederanpfiff erhöhte der Abidjaner John Zaki schließlich auf 4:0, ehe Soma Phiri und Owusu zumindest noch eine Ergebniskorrektur für die Dynamos erreichen konnten.

Bei diesem Spiel war es, wie im Fußball mittlerweile international üblich, nicht nur um einen Pokal gegangen. Ähnlich wie in Europa ist seit kurzem auch in Afrika der Gewinn der Champions League mehr mit Geld als mit sportlichem Erfolg verbunden. Das Zauberwort heißt, man ahnt es, "Fernsehgelder".

Zum besseren Verständnis ein Ausflug in die Fußballhistorie: Den "African Cup of Champion Clubs" gibt es bereits seit 1964, doch jahrzehntelang interessierte sich kaum jemand ernsthaft für diesen Wettbewerb. Denn Siegprämien oder gar Startgelder gab es nicht, und so war der alljährlich ausgespielte Wettbewerb für die Vertreter der wohlhabenden afrikanischen Länder finanziell uninteressant, während die Teilnahme für Vereine aus ärmeren Nationen kaum zu finanzieren war. Als Konsequenz daraus schickten die Teams aus den relativ reichen und fußballerisch weiter entwickelten nordafrikanischen Ländern häufig nur ihre zweite oder dritte Garnitur, während sich in jedem Jahr Teilnehmer aus ärmeren Nationen aus dem laufenden Wettbewerb zurückziehen mußten, weil sie sich die hohen Reisekosten einfach nicht mehr leisten konnten.

Als die nordafrikanischen Länder jedoch Mitte der siebziger Jahre ihre Einstellung zum Wettbewerb allmählich änderten und ihre Meisterteams auflaufen ließen, ergab sich rasch ein krasses sportliches Mißverhältnis: Zwischen 1976 und 1994 kam der Sieger des African Cup of Champion Clubs mit einer Ausnahme (1983 gewann unvorhergesehen der ghanaische Verein Asante Kotoko) aus Algerien, Ägypten, Marokko oder Tunesien.

Seit 1997 ist in der afrikanischen Champions League jedoch alles anders. Da erwarb die französische Mediengruppe Darmon die Fernsehrechte am African Cup of Champion Clubs, lobte Preisgelder in Höhe von umgerechnet rund fünf Millionen Mark aus und revolutionierte damit en passant den afrikanischen Vereinsfußball. Die im Vergleich zu den rund 980 Millionen Mark, die für die europäische Champions League aufgewendet werden, geradezu lächerliche Summe verwandelte die afrikanische Champions League in ein pompöses Spektakel, an dem der gesamte Kontinent sowohl aktiv als auch passiv - via TV - teilhaben kann. Mangels privaten Apparaten sitzt man so an afrikanischen Champions League-Tagen häufig dichtgedrängt in einer gemütlichen Kneipe vor einem Fernseher, dessen Bild nicht immer scharfgestellt werden kann, und kommentiert das Geschehene ebenso laut wie fachkundig.

Für die Teilnehmer ist das Erreichen der Finalrunde, für die sich acht Mannschaften qualifizieren können, seitdem richtig lukrativ. Als Garantiesumme gibt es für jedes Team 240 000 Mark, die mit jedem Sieg um weitere 16 000 und mit jedem Tor um 1 100 Mark erhöht werden kann; für ein Unentschieden gibt es immer noch umgerechnet 11 000 Mark. Der Pokalgewinner Asec Abidjan erhielt für seine 13 Finalrundenpunkte also 326 000, sein Endspielgegner Dynamo Harare für zehn Zähler immerhin noch 305 000 Mark.

Solche Summen, für die in Europa kaum ein Verein auflaufen würde, sind für viele afrikanische Clubs nach wie vor kaum vorstellbar und haben der dortigen Champions League deshalb einen richtiggehenden Boom beschert. - Und das Fußball-Bewußtsein verändert, denn seitdem ist, wie der Journalist Alan Sharif Duncan kürzlich in der Fachzeitschrift African Soccer Magazine schrieb, "Afrika, wie Europa, völlig fixiert auf Geld". Europäischen Sozialromantikern erklärte er in seinem Artikel zusätzlich: "Aber zumindest kann man sagen, daß sie es wirklich brauchen."

Denn Geld ist im afrikanischen Fußball, mit wenigen Ausnahmen, äußerst knapp. Die Vereine bluten schon seit Jahren personell aus und konnten bisher kaum etwas dagegen unternehmen. Jeder halbwegs gute Fußballer nutzt nämlich die erste ihm sich bietende Chance zu einem Wechsel nach Europa und nimmt meistens dabei sogar in Kauf, von der ersten Liga Zimbabwes oder Ghanas in die vierte deutsche oder fünfte englische Liga zu wechseln, weil es schon dort deutlich mehr Geld zu verdienen gibt. Mit Hilfe der Darmon-Gelder haben nun zumindest die Spitzenteams des Kontinents die Möglichkeit, ihren besten Spielern finanziell lukrativere Angebote zu machen, dadurch den Wechsel von Talenten nach Europa zu verhindern und eigene starke Teams aufzubauen.

Auch für den Kontinentalverband CAF, der die afrikanische Champions League ausrichtet, sind die Auswirkungen (bislang) eher positiv, denn wo sich noch vor kurzem immer wieder Mannschaften aus finanziellen Gründen vom Wettbewerb hatten zurückziehen müssen, können nun Rekord-Teilnehmerzahlen verzeichnet werden. Und aus dieser gestärkten Position kann darauf hingearbeitet werden, daß, wie von dem afrikanischen Verband schon lange gefordert, eines Tages auch der Afrikameister mit den europäischen und südamerikanischen Vereins-Meistern um den "Weltpokal der Vereinsmannschaften" spielen darf.

Aber es ist nicht nur die Geldknappheit, die Afrikas Fußball plagt. Die Gewaltbereitschaft ist überall auf dem Kontinent erschreckend hoch. In Swaziland beispielsweise wurde vor kurzem von der Polizei die Ausrichtung von Abendspielen generell verboten, weil es dabei wiederholt zu Ausschreitungen meist betrunkener Rowdies gekommen war. In der bürgerkriegsgeschüttelten Demokratischen Repubik Kongo waren zuvor bei Krawallen im Zusammenhang mit dem Kinshasa-Lokalderby zwischen den Vereinen Vita und Daring Motema Pembe drei Menschen ums Leben gekommen, in Uganda hatte das meisterschaftsentscheidende Spiel Simba Kampala gegen Nakivubo Villa wegen Fan-Randale abgebrochen werden müssen, in Kenia erlitt ein fünfjähriger Junge bei Auseinandersetzungen rivalisierender Hooligan-Gruppen lebensgefährliche Verletzungen - wie überall auf der Welt dient Fußball auch in Afrika Menschen als Ventil für im Alltag aufgestaute Wut.

Auch der frischgebackene Kontinentalmeister Asec Abidjan hat Erfahrungen mit Ausschreitungen: Nachdem schon beim Gruppenspiel gegen Raja Casablanca Fans im Stadion randaliert hatten, drohen dem Verein nun Sanktionen von seiten des Verbandes, nachdem beim Endspiel gegen die Hararer Dynamos erneut Knallkörper explodiert waren.

Das ist allerdings nicht die einzige Sorge, die die Meisterkicker von C(tm)te d'Ivoire momentan haben, denn nur wenige Tage nach ihrem Finaltriumph erhob die zimbabwische Tageszeitung The Herald plötzlich schwere Vorwürfe. Asec habe, so das Blatt, fünf Dynamo-Spielern Geld gezahlt, damit sie es im Rückspiel in Abidjan "ein wenig langsamer angehen lassen". Wie sagte doch Alan Sharif Duncan? "Afrika ist, wie Europa, völlig fixiert auf das Geld."