Deutsches Haus

63 Prozent der Deutschen wollen nicht mehr über die Judenverfolgung in der NS-Zeit diskutieren. Bei einer Forsa-Umfrage war unter den 14- bis 24-jährigen der Anteil derjenigen, die diesen Wunsch äußerten, mit 65 Prozent ebenso hoch wie bei den Befragten über 65 Jahren. Auch zwischen Ost und West gab es keine signifikanten Unterschiede. Etwa 20 Prozent der Deutschen sind der Umfrage zufolge latent antisemitisch eingestellt. Antisemitismus kommt demnach bei Anhängern aller politischen Richtungen vor. In Rathenow (Brandenburg) überfielen in der Woche vor Weihnachten vier Jugendliche einen Asylbewerber aus Afghanistan. Sie schlugen den 16jährigen Flüchtling und raubten ihn aus. Er erlitt keine sichtbaren Verletzungen; die Täter wurden kurz darauf festgenommen. In der brandenburgischen Kleinstadt ist es innerhalb des vergangenen Jahres schon mehrfach zu ausländerfeindlichen Angriffen gekommen. Zu zweieinhalb Jahren Haft wurde in der Türkei der kurdische Deserteur Abdulmenaf Düzenli verurteilt, der am 14. Juli aus dem rheinland-pfälzischen Kirchenasyl heraus abgeschoben worden war. Weil er in Deutschland seine Desertion mit Menschenrechtsverletzungen der türkischen Armee in Kurdistan begründet hatte, droht dem Vater dreier kleiner Kinder und Mann einer schwangeren Frau nun außerdem noch ein Verfahren vor dem gefürchteten Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir wegen Separatismus. Das Verwaltungsgericht Neustadt hatte am Tag von Düzenlis Abschiebung geurteilt, ihm drohe in der Türkei keine politische Verfolgung. Noch am Abend desselben Tages wurde er bei seiner Ankunft auf dem Flughafen Istanbul von der türkischen Militärpolizei verhaftet. Nur vorübergehend nach Sandhausen bei Heidelberg (Baden-Württemberg) zurückkehren durfte die 17jährige Schülerin Fena "Neshe" Özmen, die im Sommer 1997 gegen den Widerstand von Mitschülern und Lehrern in die Türkei abgeschoben worden war. Nach der Aufhebung des anschließend verhängten Wiedereinreise-Verbots vor einem Jahr konnte sie zu Weihnachten mit einem für drei Monate gültigen Besuchervisum einreisen. Scharf kritisiert hat der Türkische Bund Berlin-Brandenburg Innenminister Otto Schily (SPD) wegen seiner Äußerungen zur Ausländerpolitik. Mit seiner "Das Boot ist voll"-Kampagne bediene der Innenminister "rechte Stammtische" und verspiele den Vertrauensvorschuß, den ausländische Mitbürger in eine rot-grüne Bundesregierung gesetzt hätten, sagte der Sprecher des Bundes, Safter Cinar. Als erster Berliner Bezirk führte das CDU-regierte Reinickendorf Mitte Dezember für Asylbewerber Chipkarten ein, mit denen sie nur noch in 63 Läden der Hauptstadt einkaufen können. Die Flüchtlinge bekommen keinerlei Bargeld mehr ausgezahlt; Discounter wie Aldi nehmen die Karte des Münchener Herstellers Infracard nicht an. Berlin ist das erste und bislang einzige Bundesland, das Chipkarten für Asylbewerber einführte. Bereits seit August vergangenen Jahres können 2 100 Flüchtlinge, die vom Berliner Sozialamt betreut werden, nur noch mit solchen Karten einkaufen. Einem Einzelhändler, dem vorgeworfen wurde, Geld abgebucht und Flüchtlingen ausgezahlt zu haben, wurde bereits der Kartenvertrag entzogen. 1 851 Menschen saßen im zweiten Quartal 1998 in Berlin in Abschiebehaft, 126 mehr als in den drei Monaten vorher. 88 davon seien minderjährig gewesen, teilte Innensenator Eckhart Werthebach (CDU) vor Weihnachten mit.