Nur die Waffen sprechen

Das UN-Engagement hat nichts geholfen: Im Kongo wird gekämpft, und eine Friedenstruppe wird es so schnell nicht geben

Diplomatische Resolutionen sind eine Kunstform für sich. So nichtssagend wie nötig müssen sie sein, um keinen der Betroffenen zu verprellen, aber wenn ein bißchen was drinsteht, schadet es auch nichts. Das alles ist aber egal, wenn sie bedeutungslos sind - wie die Resolution des UN-Sicherheitsrates von Mitte Dezember zum Krieg im Kongo: Sie fordert einen "geordneten Rückzug" aller fremden Truppen aus dem Kongo und eine "alle einschließende Versöhnung, die zu baldmöglichen Wahlen führen soll".

Statt eines "geordneten" Rückzugs gab es nicht einmal einen ungeordneten, und statt Wahlen gibt es unübersehbar Krieg. In der vergangenen Woche vermeldeten der Präsident der Demokratischen Republik Kongo (RDC), Laurent-Désiré Kabila, und seine Verbündeten aus Zimbabwe und Angola neue Erfolge. Nach einem Bericht der Washington Post ahnte die US-Regierung schon Mitte Dezember, daß sie nicht viel tun kann, um den Krieg im Kongo zu beenden.

Auch nach einem Ende der Kämpfe, schreibt die Zeitung unter Berufung auf hochrangige Regierungsvertreter, würde das Land eine Quelle von Instabilität bleiben. Die US-Regierung werde sich deshalb für eine neue regionale Verständigung einsetzen, die friedenserhaltende Maßnahmen, Sicherheit der Grenzen, Unterstützung für die demokratischen Kräfte und finanzielle Hilfe zum Wiederaufbau einschließe. Daß man Kabila gerne loswerden würde, wurde lieber verschwiegen: Es ist besser, sich rauszuhalten, lautet die US-Devise.

Das ist immerhin schon eine Einsicht, eine ernüchternde zwar, aber sie erweckt zumindest keine falschen Hoffnungen. Nach dem französisch-afrikanischen Gipfel Ende November in Paris sah das noch ganz anders aus: Im Grunde habe man sich schon auf einen Waffenstillstand geeinigt, der auf einem Treffen im sambischen Lusaka einige Wochen später sattelfest gemacht werden solle, hieß es damals (Jungle World, Nr. 49/98). Die maßgeblichen Beteiligten neben den Kriegsparteien: der französische Präsident Jacques Chirac, der in seiner neuen Rolle als unparteiischer Freund Afrikas glänzen konnte, und der UN-Generalsekretär Kofi Annan. Was niemand direkt aussprach: Nach dem Schweigen der Waffen sollten die Truppen der Kampfparteien durch eine Friedenstruppe ersetzt werden.

Ein paar Stunden später war der Waffenstillstand aber schon wieder Geschichte. "Jeder einigte sich auf die Notwendigkeit eines Waffenstillstandes, aber nicht jeder einigte sich darauf, wie er implementiert werden sollte", kommentierte der ruandische Präsident Pasteur Bizimungu die Gespräche.

Aber Kofi Annan war immer noch hoffnungsvoll: "Ich glaube, die Dinge laufen in die richtige Richtung", sagte er vor dem Gipfel der Organisation Afrikanischer Staaten (OAU) in Ougadougou zwei Wochen später. Wieder hieß es dort, man habe ein "Vorabkommen" getroffen und wolle sich am 28. Dezember in Lusaka treffen. Schon zwei Wochen vorher hatte man sich dort treffen wollen, den Termin aber wieder verschoben.

Und auch Ende Dezember kamen die Rivalen nicht zusammen, ebenso blieb eine Vermittlungsinitiative des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi erfolglos. Die offizielle libysche Nachrichtenagentur Jana meldete zwar, sowohl Kabila wie der ugandische Präsident Yoweri Museveni seien am 25. bzw. am 27. Dezember mit Gaddafi zusammengetroffen. Der von Uganda und Ruanda unterstützte Rebellenchef Ernest Wamba di Wamba betonte dagegen, es habe keinen Kontakt mit Kabila gegeben. Südafrika hatte im Vorfeld gefordert, daß sich Kabila direkt mit den Rebellenvertretern unterhalten sollte, was der jedoch ablehnt.

Eine Friedenstruppe für den Kongo aufzustellen, ist eine ziemlich realitätsfremde Vorstellung Annans. Selbst einen Militärkoloß wie die USA würde der kongolesische Dschungel vor große logistische Probleme stellen. Und eine Friedenstruppe der OAU ist absurd, weil diejenigen Länder, die sie tragen könnten, auf der einen oder anderen Seite in den Krieg verwickelt sind.

Ohnehin ist Krieg in der Region Normalität: Aus Kongo-Brazzaville wurden vergangene Woche neue Gefechte zwischen den Milizen von Premierminister Bernard Kolelas und von Präsident Denis Sassou-Nguesso gemeldet, und auch Angola steht faktisch im Krieg. Die Zentralafrikanische Republik wurde bisher nur durch eine frankophone Friedenstruppe davor bewahrt, im Sudan wird seit 15 Jahren ununterbrochen gekämpft. Uganda, Ruanda und Burundi werden von verschiedenen Rebellengruppen immer wieder aus dem Kongo angegriffen. Einzig in Tansania und Sambia gibt es keine Kampfhandlungen - sie müssen statt dessen die Flüchtlinge aus dem Kongo beherbergen.

Die auf der Seite von Wamba di Wamba kämpfenden Ruanda, Uganda und Burundi - in jüngster Zeit häufen sich die Meldungen, daß auch Burundis Armee direkt an den Kämpfen beteilligt ist - profitieren von der Situation wohl am meisten. Für Kabilas Mitstreiter sieht es schwieriger aus: In Zimbabwe ist die von Präsident Robert Mugabe angeordnete Intervention ziemlich unpopulär (Jungle World, Nr. 50/98). Nach einer von einer örtlichen Menschenrechtsgruppe in Auftrag gegebenen Gallup-Umfrage sind 70 Prozent der Bevölkerung Zimbabwes gegen den Krieg. Das große Armeekrankenhaus in Harare wird abgeschirmt und öffentliche Begräbnisse von Kriegstoten gab es bisher nicht.

Und auch für Angola, den zweiten schlagkräftigen Partner Kabilas, sieht es nicht viel besser aus. Zu Hause muß es einen erneuten Krieg gegen einen mit Panzern, Artillerie und schweren Waffen ausgerüsteten Unita-Chef Jonas Savimbi führen. Bisher hatte es geheißen, die Unita sei entwaffnet. Aber die neuen Kämpfe bedeuten, daß die angolanische Regierung nicht viele Truppen gegen die kongolesischen Rebellen aufbieten kann. Allerdings sind Mugabe (in die Rohstofförderung in Katanga) und der angolanische Staatschef José Eduardo dos Santos (in die Ölförderung im Westen des Kongo) schon so stark in den Konflikt verstrickt, daß sie sich wohl kaum zurückziehen werden.

Aber auch die Rebellenunterstützer sind sich nicht mehr ganz einig: In Zeitungsberichten der letzten Dezemberwoche berichtete ein ugandischer Offizier, ugandische und ruandische Truppen im Kongo hätten sich gegenseitig beschossen. 30 Ruander und acht Ugander seien dabei umgekommen. Schon länger zeichnen sich Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden alten Verbündeten ab. Daß Museveni und sein enger Freund aus Ruanda, der Verteidigungsminister Paul Kagame, sich darüber zerstreiten, wäre jedoch eine Überraschung.

An die Öffentlichkeit drangen die ersten Anzeichen über Verstimmungen, als Uganda behauptete, beide Seiten hätten im Kongo einen gemeinsamen Generalstab gebildet und Ruanda dies dementierte. Dann berichtete die offiziöse ruandische Wochenzeitung New Times, daß sich die ugandische Armee im Kongo hemmungslos bereicherte. Tatsächlich war im Oktober mysteriöserweise ein ugandisches Flugzeug mit hohen Offizieren und Geschäftsleuten über der Region Kivu abgestürzt. Beobachter verweisen darauf, daß Uganda ein Auge auf das Gold von Kilo Moto im Nord-Kivu geworfen habe.

Die ugandische New Vision konterte darauf mit einem Artikel, in dem den ruandischen Soldaten Übergriffe gegen Zivilisten im Kongo vorgeworfen wurden. Und im November tauchte in der von Uganda besetzten Equateur-Provinz eine neue Rebellenbewegung auf - als Konkurrenz zur von Ruanda geförderten und von den Banyamulenge dominierten Rebellenallianz RCD.

Diese Auseinandersetzung ist durch das Grundverständnis beider Länder bedingt. Uganda kritisiert an der RCD, daß sie im Osten des Kongo extrem unbeliebt ist und daher wohl nie die Bevölkerung für sich gewinnen wird. Tatsächlich wird sie von der Bevölkerung dort ausschließlich als von "den Tutsi" dominiert wahrgenommen. Für die ruandische Führung ist das wohl ganz normal: Im eigenen Land geht es ihr schließlich genauso.