Garching bombensicher

Mit grüner Zustimmung darf der bayerische Forschungsreaktor FRM II, der mit Atomwaffen-Uran betrieben werden soll, vorerst weitergebaut werden

Bei der Technischen Universität München und in der bayerischen Staatsregierung ist man schon etwas nervös geworden. Denn eine Zeitlang hat es ganz danach ausgesehen, als könnte der Regierungswechsel in Bonn eines der Lieblingsprojekte von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber und TU-Präsident Wolfgang Herrmann ernsthaft gefährden: Den Forschungsreaktor München II (FRM II) in Garching nördlich der bayerischen Landeshauptstadt.

Schließlich war der FRM II, der mit hochangereichertem bombenfähigem Uran (HEU) betrieben werden soll und deshalb international äußerst umstritten ist, Thema bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen. "Der Einsatz von waffenfähigem Uran in Forschungsreaktoren ist hoch problematisch und außenpolitisch bedenklich", heißt es dazu im Koalitionsvertrag. "Deshalb wird die neue Bundesregierung überprüfen, ob Möglichkeiten einer Umrüstung des Forschungsreaktors München II vom Betrieb mit hochangereichertem auf niedrigangereichertes Uran bestehen."

Ein endgültiges Aus für den Garchinger Reaktor müssen TU und CSU-Regierung aber wohl nicht befürchten. Denn in der Atomgesetznovelle, die SPD und Grüne jetzt ausgearbeitet haben, heißt es lediglich: "Für die Errichtung oder den Betrieb neuer Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität werden keine Genehmigungen erteilt." Eine Bestimmung, die beim FRM II nicht greift, denn der dient ja nicht der Energieerzeugung.

Die große Frage ist nun, wie ernst es die neue Bundesregierung mit der Umrüstung des Reaktors auf nicht bombenfähiges Uran meint. Die Technische Universität und die Staatsregierung stemmen sich vehement gegen diesen Plan - nicht nur weil eine derartige Umrüstung des Reaktors den für das Jahr 2001 geplanten Start des FRM II weit hinauszögern würde. Es darf zudem getrost bezweifelt werden, daß die bayerische Staatsregierung aus rein "wissenschaftlichen" Gründen auf der Verwendung von HEU beharrt. Denn der Griff nach dem Bombenstoff hat im Freistaat Tradition: Schon Franz Josef Strauß versuchte in den fünfziger Jahren, zunächst als Atom- und später als Verteidigungsminister, Zugriff auf Nuklearwaffen zu erlangen - mittels einer europäischen Atomstreitmacht im Verbund mit Frankreich. In den Achtzigern forcierte Strauß die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf, bei deren Betrieb bombenfähiges Plutonium abgefallen wäre. Mit der Verwendung von HEU im Garchinger Reaktor unternimmt Bayern nun einen erneuten Versuch, Zugriff auf Atomwaffen-Material zu erhalten.

Dabei ist die Staatsregierung schon ziemlich weit gekommen: Sämtliche Klagen von Privatleuten und der rot-grün regierten Landeshauptstadt München gegen den Forschungsreaktor wurden mittlerweile abgewiesen. Und auch das Problem der Brennstofflieferung konnte inzwischen gelöst werden - trotz des Widerstands der US-Amerikaner, die seit 1978 ein internationales Programm zur Reduktion der Anreicherung in Forschungs- und Testreaktoren (RERTR-Programm) betreiben, mit dem Ziel, alle HEU-betriebenen Forschungsreaktoren auf weniger angereichertes Uran umzurüsten. Weil die USA deshalb Garching boykottieren, soll das Uran für den FRM II nun aus Rußland importiert werden. Inzwischen ist auch ein Großteil des Reaktorgebäudes fertiggestellt. Ende August vergangenen Jahres konnte die TU mit viel Prominenz das Richtfest feiern.

Doch schon damals sammelten sich erste dunkle Wolken über dem Reaktor - im wahrsten Sinne des Wortes, denn das groß angelegte Richtfest ging dank schlechtem Wetter ziemlich in die Hose: Erst beendete ein Stromausfall schlagartig Stoibers Festrede, und dann verhinderte der heftige Sturm, daß dem Reaktor die Richtkrone aufgesetzt werden konnte. Als drei Monate später die neue Bundesregierung auch noch die Überprüfung des FRM II beschloß und ein grüner Umweltminister in Bonn sein Amt antrat, glauben TU und CSU-Regierung schon, ihre Felle könnten davonschwimmen. So sah sich TU-Präsident Wolfgang Herrmann noch Anfang des Jahres gezwungen, ein Machtwort des Kanzlers zum Forschungsreaktor München II zu fordern. Gerhard Schröder müsse seinen Bundesumweltminister Jürgen Trittin stoppen, der den Reaktor durch neue Genehmigungsrichtlinien verhindern wolle, so Herrmann.

Ob sich Herrmann um sein Lieblingsprojekt noch ernsthaft Sorgen machen muß, ist indes eher zweifelhaft. Zwar beteuert die Bundesregierung weiterhin, sie wolle an der Überprüfung des FRM II festhalten. "Wir werden aber keine übereilte Entscheidung treffen", betonte der parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen letzte Woche und versprach einen "sehr sorgfältigen Prüfungsprozeß". Zu diesem Zweck soll in diesen Tagen eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden. Sie soll feststellen, ob eine Umrüstung des Reaktors noch möglich ist und wenn ja, wie teuer sie ausfallen würde. Mit den Ergebnissen der Expertenprüfung wird bis Ende Juni gerechnet, dann will man mit der bayerischen Staatsregierung verhandeln. Während die Bundesregierung ankündigt, prüfen zu lassen, werden auf dem Baugelände in Garching weiter Fakten geschaffen. Am Montag begann die wasserrechtliche Anhörung zum FRM II. Die Zeit arbeitet für die Reaktorbefürworter.