Auf zum letzten Gefecht

Mit ihrem Ultimatum versuchen Nato und die Balkan-Kontaktgruppe, jugoslawische Regierung und Kosovo-Albaner an den Verhandlungstisch zu zwingen

Großbritanniens Außenminister Robin Cook war am vergangenen Samstag "not amused": Auf einer Pressekonferenz in Belgrad erklärte er, gerade beim jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic gewesen und mit seinen Forderungen nach einer raschen Aufnahme von Friedensgesprächen abgeblitzt zu sein. Der Präsident, so Cook, sehe die Dringlichkeit von Verhandlungen nicht ein.

Dabei hatte sich die Balkan-Kontaktgruppe (USA, Großbritannien, Deutschland, Rußland, Frankreich, Italien) solche Mühe gegeben, einmal nicht nur Milosevic, sondern auch die Kämpfer der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) für die anhaltenden Konflikte in der südserbischen Krisenprovinz verantwortlich zu machen: Schon am 6. Februar, so der Plan der Kontaktgruppe, sollten Vertreter der jugoslawischen Regierung und der Kosovo-Albaner in einem Schloß in Rambouillet, nahe der französischen Hauptstadt Paris, über ein Ende des Konflikts verhandeln.

Dafür, daß die verfeindeten Parteien sich nach bald einem Jahr bewaffneter Auseinandersetzungen auch wirklich am Verhandlungstisch zusammensetzen, sorgt derweil die Nato. In Brüssel ermächtigte der Nato-Rat am Wochenende Generalsekretär Javier Solana dazu, die Erfüllung der Kontaktgruppen-Forderungen auch mit Luftangriffen gegen Ziele in Jugoslawien ultimativ durchzusetzen. Mit der Übertragung der Angriffsbefugnis auf Solana verkürzte die Nato ihren Entscheidungsprozeß für ein militärisches Eingreifen erheblich: Ziel der Ermächtigung sei es, die Forderungen der Kontaktgruppe noch deutlicher mit einer militärischen Drohung zu untermauern, hieß es in Brüssel.

Die Inszenierung erinnert an das dann doch gescheiterte Abkommen zwischen Israelis und Palästinensern von Wye Plantation im Dezember: Die Gipfelteilnehmer sollten in dem Prachtbau so lange in Isolation gehalten werden, bis der Vertrag besiegelt wäre.

Doch für das Kosovo dürfte der Plan schon an der Auswahl der Teilnehmer scheitern: Ibrahim Rugova, politischer, wenn auch zunehmend einsamer Kopf der Kosovo-Albaner, begrüßte zwar Verhandlungen mit Jugoslawien, die UCK aber lehnt Verhandlungen mit ihm ab.

Während Jugoslawien inzwischen auf die Forderungen der Kontaktgruppe eingeht und - so der neue, von Milosevic kooptierte Vizepremier Vuk Draskovic - eine größere Autonomie für das Kosovo befürwortet, beharren die Vertreter der UCK auf ihrem Standpunkt, nur eine Unabhängigkeit des Kosovo könne den Konflikt beenden.

Beim Staat-Machen geht die UCK nun einen Schritt weiter: Am 10. Februar tritt zum ersten Mal eine neue kosovo-albanische Volksvertretung zusammen, die als alternative Verhandlungsplattform für die rivalisierenden Gruppen der UCK an Gewicht gewinnen könnte. Der Präsident von eigenen Gnaden, Ibrahim Rugova, ist von der UCK zwar eingeladen, in dieser Volksversammlung einen fixen Platz einzunehmen, doch Rugova vertraut lieber auf jenes Parlament, das schon im März letzten Jahres gewählt worden war. Dieses wiederum wird von der UCK nicht anerkannt, da - so die Skipetaren-Guerilla - viele Parteien diese Wahlen boykottiert und sie außerdem im "Kriegszustand" stattgefunden hätten.

Die sogenannte Internationale Staatengemeinschaft verzichtet inzwischen darauf, die unterschiedlichen Interessen und Rivalitäten unter den Kosovo-Albanern zu berücksichtigen und ist wild entschlossen, Friedensgespräche endlich beginnen zu lassen - unabhängig davon, ob sich die rivalisierenden Fraktionen auf eine gemeinsame Verhandlungsgrundlage einigen.

Der britische Außenminister Robin Cook veredelt die politische Realitätsverweigerung des Westens sogar so weit, daß er den Beginn der Schloß-Session in der Nähe von Paris auch dann verlangt, wenn die UCK nicht auftauchen sollte: "Wenn sie nicht kommen, werden die Gespräche ohne sie beginnen."

Daß die UCK nicht kommen wird, ist sehr wahrscheinlich. Denn noch immer weiß sie den Westen auf ihrer Seite. Auch wenn der österreichische Botschafter in Belgrad und gleichzeitige Chefunterhändler der EU, Wolfgang Petritsch, immer wieder besonnen davon spricht, daß die Geduld des Westens mit der UCK zu Ende sei und die Nato keinesfalls als Luftwaffe der UCK dienen werde, signalisieren insbesondere die USA eher ein Ende der Geduld mit Jugoslawiens Milosevic als mit der "Befreiungsarmee".

Die Nato hat ihre Aufmarschpläne im Kosovo derweil ganz gegen den jugoslawischen Saddam Hussein ausgerichtet. 400 Jets würden dafür sorgen, serbische Luftabwehr-Stellungen zu bombardieren, sollten die Forderungen der Kontaktgruppe nicht eingehalten werden. Zusätzlich sammeln sich in Mazedonien etwa 15 000 Nato-Soldaten, die erst einmal die etwas schwächliche jugoslawische Armee aus dem Kosovo jagen würden. Für die UCK wäre ein solcher Einsatz ein willkommenes Geschenk: Sie könnte als Nachhut der Nato das gesamte Kosovo besetzen.

Militärisch ist die UCK inzwischen in der Lage, ihr im letzten Sommer wenig rühmliches Dasein als Häufchen schlecht bewaffneter, chaotischer Guerillas zu beenden. Den Winter nutzt die UCK als Regenerierungsphase und hat sich neue Kanäle der Waffenbeschaffung erschlossen. Nun sind es nicht mehr die wenig treffsicheren chinesischen Gewehre oder Beutewaffen der jugoslawischen Volksarmee, sondern moderne US-amerikanische Waffen, die gegen die Feinde aus Serbien eingesetzt werden.

Solche Waffen sind teuer, doch über Geldmangel kann sich die Guerilla nicht beklagen: Albanische Exilanten aus aller Welt sorgen für regen Geldfluß auf Konten in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich. Nach kosovo-albanischen Angaben erfreut sich gerade Österreich als Geldlagerplatz höchster Beliebtheit, weil in der Alpenrepublik das Bankgeheimnis wesentlich höher geschätzt wird als in anderen europäischen Staaten.

Mit dem albanischen Hafen Durres verfügen die Rebellen darüber hinaus über einen völlig sicheren Umschlagplatz für Waffenlieferungen. Erst Mitte Januar lieferte ein Schiff Anti-Panzer-Raketen und ähnliches Hi-Tech-Gerät. Am albanischen Zoll wurde die hochsensible Ware vorbeigeschmuggelt und Tage später schon den Endverbrauchern im Grenzgebiet zum Kosovo geliefert.

Angesichts dieser Eskalation gerät die Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der serbischen Kriegsprovinz zunehmend zum Desaster. Ohnmächtig müssen die rund 1 000 Beobachter zusehen, wie UCK und serbische Einheiten unbeeindruckt von ihrer Anwesenheit weiterkämpfen. Vom einstigen Anspruch, für einen Waffenstillstand zu sorgen, ist längst nicht mehr die Rede. Dennoch vertraut man im OSZE-Hauptquartier in Wien weiterhin darauf, den Brandherd eindämmen zu können: "Es gibt Anzeichen dafür, daß unsere Präsenz langsam aber sicher greift", meint etwa eine OSZE-Diplomatin, ohne auch nur ein einziges Anzeichen dafür nennen zu können.

Vielmehr ist die OSZE inzwischen zur Geisel der westlichen Entschlossenheit geworden. Die militärischen Retter im benachbarten Mazedonien haben schon konkrete Maßnahmen ergriffen, die OSZE-Teams im Falle von Nato-Bombardements mit Hubschraubern aus der Kriegsprovinz auszufliegen und dem westlichen Militärbündnis das Feld zu überlassen.

Wenn es in den nächsten Wochen dazu kommen sollte, würde genau das eintreten, was etwa der EU-Sonderbeauftragte Wolfgang Petritsch schon im letzten Herbst gemutmaßt hatte: Das Kosovo würde zum internationalen Protektorat. Erste Einsatzpläne dafür legte die Nato am Wochenende auch schon vor: Je nach Einigungsbereitschaft der Konfliktparteien wären zwischen 30 000 und 200 000 Soldaten notwendig - wovon, so der deutsche Wehrminister Rudolf Scharping, mindestens zehn Prozent von der Bundeswehr gestellt werden sollen. Zumindest eines wäre damit klar: Serbische Truppen und UCK-Rebellen hätten ihren jeweiligen nationalen Kampf verloren.