Grüne Atomindustrie

Der Einstiegin den Einstieg

Die Bündnisgrünen modernisieren die Atomenergie. Ihre Klientel will glauben, daß dieser Einstieg ein Ausstieg sei. Noch ist das Thema für die Grünen derart identitätsstiftend, daß es besonderer Propagandamethoden bedarf, um die Sache zu verschleiern.

Walser befreit den Antisemitismus. Schröder beschützt das Kapital vor maßlosen Ansprüchen jüdischer ZwangsarbeiterInnen. Zu beiden neuen deutschen Katastrophen hatten die Grünen kein anständiges Wort zu sagen. Um so mehr plappern sie über den vermeintlichen Atomausstieg. Trittin bedankt sich bei Schröder und der Atommafia für jeden Tritt in den Arsch: Das Gute an seiner letzten Niederlage sei, daß das Kapital den Atomausstieg grundsätzlich akzeptiert habe.

Da muß die Börse etwas gewaltig mißverstanden haben: Nach der Verschiebung des angeblich geplanten Endes der Wiederaufarbeitung auf die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl stiegen die Aktien z.B. der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) um zwölf Prozent. Manfred Timm, Verbandssprecher der Atomwirtschaft, lobte das "konsensuale Zugeständnis" für eine Gesamtbetriebsdauer von 40 Jahren als "Sieg der Vernunft".

Wo immer die Grünen in Landesregierungen gelangten, akzeptierten sie den Betrieb von Atomanlagen und den Ausbau der Atomenergie: Hessen, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Schleswig-Holstein, Niedersachsen. Im Verlauf der "Realpolitisierung" der Grünen in eine bürgerliche, prokapitalistische Partei wurde die Forderung "Sofortige Stillegung aller Atomanlagen" aufgegeben. Von "sofort" (1980) über "ein bis zwei Jahre" (1994), "vier Jahre" (Joseph Fischer 1994), "acht Jahre" (Gundula Röstel 1998), "vierzehn Jahre" (Rainer Baake 1998), "zwanzig Jahre" (Rezzo Schlauch/ Antje Radcke 1999) bis "keine Frist" (Joseph Fischer, Jürgen Trittin, 1998/1999).

Trittin ist nicht der "Rammbock, den Rot-Grün für den Atomausstieg braucht" (taz), sondern der semantische Betrüger, den Rot-Grün und das Atomkapital für die Befriedung des Anti-Atom-Widerstandes benötigen. Ein oder zwei alte AKWs werden sie vielleicht stillegen. Auf einem pompösen Volksfest in Biblis oder Stade werden erleichterte Bündnisgrüne dann hinter dem Jubel verbergen wollen, daß das Atomkapital von Rot-Grün Geschenke kassiert, von denen es zu CDU/FDP-Regierungszeiten nicht zu träumen wagte:

Erstens: Atomkraftwerke laufen länger. Extreme Extraprofite durch verlängerte Restlaufzeiten für GAU-anfällige, längst abgeschriebene AKWs.

Zweitens: Rot-Grün sorgt für den reibungslosesten AKW-Betrieb aller Zeiten. Die gefährliche direkte Endlagerung von Atommüll an Atomstandorten wird erlaubt und gegen Kläger durchgesetzt. Schröder will einen "neuen Entsorgungsnachweis" für den "reibungslosen Betrieb".

Drittens: Rot-Grün wird Atomtransporte erlauben.

Viertens: Neue Reaktortypen werden entwickelt. Rot-Grün akzeptiert, daß der deutsche Energiekonzern Siemens und der französische Konzern Framatome den Euroreaktor bauen.

Fünftens: Rot-Grün tut nichts gegen die osteuropäischen und internationalen Atomdeals des deutschen Atomkapitals (z.B. Atommüll nach Rußland).

Sechstens: Rot-Grün versäumt jeglichen Strukturwandel. Rot-Grün unternimmt keine Umstrukturierung in der Forschungs- und Technologiepolitik. Regenerative Energien bleiben marginal. Der Weg in eine alternative, ökologische, soziale und demokratische Energieversorgung bleibt verschlossen.

Siebtens: Rot-Grün trägt den Weg in die Atomfusion mit. Bei der Atomfusion entsteht mehr radioaktiver Müll als bei einem Leichtwasserreaktor (Karlsruhe) und das biologisch unvergleichlich verseuchende radioaktive Tritium (EU-Forschungsgelder im nächsten Vierjahresplan Atomfusion: 1,66 Milliarden Mark, Atomforschung insgesamt: 2,47 Milliarden Mark. Für erneuerbare Energien nur 0,94 Milliarden Mark. In Deutschland jährlich etwa 300 Millionen Mark für Atomfusionsforschung, insgesamt bisher 2,5 Milliarden Mark).

Wer von den Grünen bei der Bekämpfung des Antisemitismus, in der sozialen oder ökologischen Frage, wer von ihnen Antipatriarchales, Antimilitaristisches und gegen deutsche imperialistische Machtpolitik irgend etwas substantiell Oppositionelles erwartet, dem ist nicht zu helfen. Naivität? Beschränkte alternative Lobby-Interessen? Meistens ist es nur (noch) verschwiegenes Interesse rotgrüner WählerInnen, sich in diesen, den Menschen und die Natur ausbeutenden Verhältnissen rücksichtslos einzurichten, welches sie zu rotgrünen Reformlügen greifen läßt.