McBones als Knochenbrecher

In Lauchhammer wurden zwei Flüchtlinge von Nazi-Bikern angegriffen. Die Staatsanwaltschaft sieht darin nur eine "Wirtshausschlägerei"

Lauchhammer-West, ein Stadtteil am Rande des einstigen Braunkohle-Zentrums in Südbrandenburg: Industrieruinen stehen zwischen Brachflächen, Einfamilienhäusern und ein paar Neubaublöcken. Mittendrin liegt ein Flüchtlingsheim - gleich neben dem ehemaligen "Haus der Jugend".

Heute ist der Jugendclub eine karg möblierte Baracke, die als Treffpunkt von nicht dem rechten Mainstream angepaßten Jugendlichen aus dem Stadtteil genutzt wird. Zu denen, die sich hier abends treffen, gehörten bis zum März letzten Jahres auch einige Flüchtlinge, für die es außerhalb des Heims in Lauchhammer nicht viele sichere Aufenthaltsorte gibt.

Doch seit der Nacht vom 22. auf den 23. März 1998 ist auch der Jugendclub für den sudanesischen Asylbewerber Omar Fadl F. und seinen Freund Charly (Name geändert) nicht mehr sicher. Eigentlich sei es ein Abend wie jeder andere gewesen, sagen die Jugendlichen, die damals dabei waren. Es wurde getanzt, Musik gehört und getrunken. Bis eine Gruppe von fünf Männern und drei Frauen aus der örtlichen Bikergang McBones den Club betrat: Was dann geschah, liest sich in den Schilderungen von Polizei und Staatsanwaltschaft wie ein Bericht über eine normale "Wirtshaussschlägerei" - also ohne rechten oder rassistischen Hintergrund.

Eine Frau, die in jener Nacht dabei war, erinnert sich jedoch anders: "Die ersten Biker sind durch den Vorraum gegangen. Der letzte hat Fadl, der auf dem Boden saß, dann ins Gesicht getreten. Charly hat sich dazwischen gestellt, aber das hat nichts gebracht. Er ist dann durch das Fenster abgehauen. Derjenige von uns, der ihm geholfen hat, hat von den Bikern was auf die Fresse bekommen." Nachdem Charly durch das Fenster entkommen konnte und die Jugendlichen in die hinteren Räume des Clubs geflüchtet waren, mißhandelten die Biker Omar Fadl F. weiter.

"Man hat nur noch Klagelaute gehört. Hier drinnen waren überall Blutflecke an der Wand", sagt die Zeugin. Die Folgen für Omar Fadl F.: Rippenprellungen, Platzwunden am Kopf und im Gesicht, Blutergüsse, drei ausgeschlagene Zähne. Hinzu kommen Angstzustände und Schlafstörungen. Auch Charly leidet an ähnlichen traumatischen Symptomen.

Omar Fadl F. ist seit dem Überfall in einer Berliner Klinik in psychologischer Behandlung. Er wünscht sich vor allem, aus Lauchhammer wegzukommen. Doch fast alle Anträge auf Verlegung wurden bisher abgelehnt. Das einzige Angebot der zuständigen Ausländerbehörde, ein Umzug in ein 20 Kilometer von Lauchhammer entferntes Heim, findet er "absurd". Im August 1998 reichte seine Anwältin beim Verwaltungsgericht Cottbus Klage ein, Reaktionen blieben jedoch bislang aus - obwohl in einem Gutachten der behandelnden Psychologin "aus ärztlicher und therapeutischer Sicht" eine Verlegung weit weg von Lauchhammer dringend empfohlen wird.

Auch sonst tut sich in diesem Fall wenig. Die Biker der McBones, die von den Jugendlichen als Täter beschrieben und polizeilich vernommen wurden, haben längst eine gut aufeinander abgestimmte Version präsentiert: Sie seien damals provoziert und angegriffen worden. Damit scheint für die Justiz der Fall erledigt.

Die McBones gingen aber noch einen Schritt weiter: Kurz nach dem Überfall tauchten sie noch einmal im Jugendclub auf, versprachen eine größere Geldsumme für den angerichteten Sachschaden und drohten einem Zeugen mit Mord. Viele ZeugInnen sind seitdem verängstigt. Zur Polizei zu gehen, erscheint ihnen beim jetzigen Ermittlungsstand sinnlos. "Vor Gericht würde ich allerdings aussagen", sagt eine junge Frau. "Denn eigentlich kann das nicht so weitergehen."

Das sehen die Ermittlungsbehörden offenbar anders. Dabei sind die McBones für ihre Gewalttätigkeit und ihre rechte Gesinnung sogar beim brandenburgischen Staatsschutz bekannt. Auf ihrem Grundstück im Stadtkern von Lauchhammer fand im Januar 1998 ein Skinhead-Konzert mit bekannten Nazibands statt. Bereits 1997 war die Naziband Senfheads dort aufgetreten. Zudem berichten Jugendliche von regelmäßigen Angriffen durch die Bones im vergangenen Jahr.

Ein Überfall wie viele in Brandenburg, der wahrscheinlich nicht einmal in der amtlichen Statistik über Überfälle mit rechtem Hintergrund auftauchen wird. Nur für Omar Fadl F., Charly und die damals anwesenden Jugendlichen hat sich einiges verändert. Fadl geht nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr allein auf die Straße. Auf eine Verlegung und einen immer unwahrscheinlicher werdenden Prozeß gegen die Täter zu warten, zermürbt ihn zusätzlich. Und Charly wartet auf den Ausgang eines Verfahrens wegen Sachbeschädigung. Wenige Tage nach dem Überfall soll er die Scheibe eines Tattoo-Shops, der einem der am Überfall beteiligten McBones-Mitglieder gehört, eingeworfen haben.