Waffenstillstand à la russe

Einen Waffenstillstand hat der russische Premier Primakow in der vergangenen Woche vorgeschlagen: zwischen seiner Regierung, dem Präsidenten Boris Jelzin sowie dessen Gegnern in der KP-dominierten Duma. Jelzin solle sich verpflichten, die Duma nicht vor den Wahlen im Dezember aufzulösen und auf einen Teil seiner Vollmachten zu verzichten, die den russischen Staat de facto zu einer Präsidialdiktatur machen. Im Gegenzug müsse die Duma ihre Drohung mit einem Amtsenthebungsverfahren gegen Jelzin aufgeben. Gegenüber der Primakow-Regierung solle die Duma nicht die Vertrauensfrage stellen. Und Jelzin solle sich verpflichten, die Regierung nicht zu entlassen.

Primakow, der Verwalter des russischen polit-ökonomisch-sozialen Rundumdesasters, hat seine Machtstellung in letzter Zeit ausgebaut. Es wird erwartet, daß Jelzin demnächst wieder das Krankenhaus verläßt. Die letzten Male hatte er dabei, um Handlungsbereitschaft zu simulieren, das Personalkarussell in Gang gesetzt.

Jelzin selbst äußerte in einer Erklärung des Kreml seine Bereitschaft zu einem Waffenstillstand. Die ihm verfassungsmäßig zustehenden Vollmachten abzugeben, komme aber nicht in die Tüte. Unterdessen hat der rechtsextreme Schirinowskij ausgeplaudert, wie er sich in den Kreml vorkämpfen will: über ein Bündnis mit der lokalen Mafia ("die Konzentration des kriminellen Kapitals und der kriminellen Strukturen ist sehr hoch") zunächst Gouverneur des Ural in Swerdlowsk werden; mit ihrer Hilfe im Ural "die Lage verbessern". Das sei dann seine Trumpfkarte bei kommenden Präsidentschaftswahlen, sagte er in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung.

So kommt's, wenn die Realität kaum mehr von paranoiden Projektionen unterschieden werden kann.