44,40 Mark für einen Studientag

Das von SPD und Grünen vereinbarte Studiengebühren-Verbot wird nicht kommen. Statt dessen will Niedersachsens Bildungsminister von jedem Studierenden 6 000 Mark jährlich kassieren

"Nein zu Studiengebühren!" - diese Parole gehört seit Jahren zum politischen Standardprogramm der SPD. Zwei Jahre lang weigerten sich die Sozialdemokraten im Bundesrat, einer Änderung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) der damaligen Koalition zuzustimmen, und noch im Wahlkampf versprach die SPD, ein bundesweites Verbot von Studiengebühren im HRG zu verankern.

Nichts leichter als das, sollte man meinen - angesichts des Sieges bei den Bundestagswahlen und der SPD-Mehrheit im Bundesrat. Als die dem linken SPD-Flügel zugerechnete Edelgard Bulmahn zur Wissenschaftsministerin gekürt wurde, war man sich eines bundesweiten Verbotes erst recht sicher, war sie doch als vehemente Gegnerin von Studiengebühren hervorgetreten. SPD-Bildungssprecherin wurde Frau Bulmahn 1996, nachdem ihr Vorgänger Peter Glotz von der Bundestagsfraktion abgesetzt worden war, weil er sich für Studiengebühren stark gemacht hatte. Es war auch Edelgard Bulmahn gewesen, die dafür gesorgt hatte, daß das Ziel eines Gebühren-Verbots in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde. Schließlich gebe es weltweit kein sozialverträgliches Vorbild für Studiengebühren.

Statt dessen ist jetzt ein SPD-interner Streit zwischen Bund und Ländern entbrannt. Längst sind es nicht mehr nur die CDU-geführten Länder wie Baden-Württemberg, die Geld fürs Studieren verlangen; ausgerechnet in Niedersachsen, wo Bulmahn SPD-Landesvorsitzende ist, macht ihr ein Parteifreund, Wissenschaftsminister Thomas Oppermann, einen Strich durch die Rechnung: Ab dem kommenden Semester werden in Niedersachsen von allen StudentInnen als "Verwaltungskosten" getarnte Studiengebühren von 100 Mark kassiert. Zudem bekräftigt Oppermann, daß er ein bundesweites Verbot vehement ablehnt: Ab dem Jahr 2002 sollen flächendeckend Studiengebühren möglich sein und jeder Studierende 3 000 Mark pro Semester bezahlen.

Nachdem Bulmahn anfangs noch vor einem niedersächsischen "Sonderweg" gewarnt hatte, zeigte sie sich kurz vor einem Treffen mit ihrem Genossen Oppermann kompromißbereit: "Man muß zwischen Rückmelde- und Studiengebühren unterscheiden", so Bulmahns Sprecherin Sabine Baun. Den Begriff "Studiengebühren" will die Ministerin nur für solche Gebühren gelten lassen, die "wegen ihrer Höhe von einem Studium abhalten", und dies sei bei den 100 Mark angeblicher Verwaltungskosten nicht der Fall. Aber auch nach Bulmahns Entgegenkommen bleibt Oppermann hart. Innerhalb der niedersächsischen SPD hat die überwiegend in Bonn aktive Bulmahn im Gegensatz zu Oppermann ohnehin nicht viel Rückhalt: Landesvorsitzende wurde sie nur, um als Gegenpol zu Ministerpräsident Gerhard Glogowski den linken Flügel der Landes-SPD zu beruhigen.

Bulmahn weiß, daß ein neues HRG nur mit Zustimmung der Länder im Bundesrat verabschiedet werden kann. Daß ein solches Vorhaben gelingen könnte, wird immer unwahrscheinlicher: Der brandenburgische Wissenschaftsminister Steffen Reiche (SPD) erklärte kürzlich, "Gutschein- oder Kreditmodelle" seien denkbar. In Baden-Württemberg, wo neben den 100 Mark Einschreibegebühren bereits jetzt von jedem sogenannten Langzeitstudenten zusätzlich 1 000 Mark pro Semester verlangt werden, drohte Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) mit einer Klage beim Bundesverfassungsgericht wegen Einmischung des Bundes in Angelegenheiten der Länder. Und auch Nordrhein-Westfalens Bildungsministerin Gabriele Behler (SPD) verkündet nun, daß sie Studiengebühren nicht mehr ausschließt.

Bulmahn indes macht gute Miene zum bösen Spiel: Daß sie gleich zu Beginn ihrer Amtszeit politisch und strategisch versagt hat, will sie nicht zugeben. Sie gibt sich weiterhin als Gegnerin von Studiengebühren. Als Ausweg schlägt sie vor, das Verbot nicht mehr wie vorgesehen im Hochschulrahmengesetz (HRG) zu verankern, sondern über einen Staatsvertrag zu regeln. Ein solches Abkommen beruht aber auf Einstimmigkeit aller Bundesländer; Niedersachsen, Sachsen und Baden-Württemberg verkünden bereits, daß sie einem Staatsvertrag nicht zustimmen werden, der unbefristet den Verzicht auf Studiengebühren festschreibt. Ein bundesweites Gebührenverbot dürfte damit vom Tisch sein.

Am 20. Januar hat Niedersachsens SPD-geführter Landtag das Haushaltsbegleitgesetz verabschiedet, das "Verwaltungsgebühren" in Höhe von 100 Mark vorsieht. Trotz der Bezeichnung des Haushaltstitels sollen die erwarteten Einnahmen von 30 Millionen Mark nicht den Universitäten zugute kommen, sondern direkt in den Landeshaushalt fließen, um Löcher zu stopfen. Die niedersächsischen Asten (Allgemeine Studierendenausschüsse) sehen in den 100 Mark den Einstieg in die von Oppermann angestrebten Gebühren von 3 000 Mark pro Semester. Die niedersächsischen Studierenden versuchen - wie vorher auch schon StudentInnen in Baden-Württemberg und Berlin - die Gebühren über einen Zahlungboykott zu verhindern. Vielleicht verfügen sie ja über mehr Durchsetzungskraft als Frau Bulmahn.