Fröhlich sein und singen

Ifa Wartburg: Zwei Schweden schaffen sich ihren unrealsozialistischen Staat

Hätten die Beach Boys ihre Karriere 1965 in der FDJ Zeulenroda als Singegruppe begonnen, wäre der Lipsi vielleicht nicht die bedeutendste Errungenschaft realsozialistischer Populärkultur geblieben. So aber blieb es beim angeblich von Walter Ulbricht persönlich zum Zurückschlagen der Beatkultur entwickelten Paartanz.

Die Meister des schwerelosen Arrangements wurden zum Inbegriff Kaliforniens, und wir mußten auf Ifa Wartburg warten. Um dabei erstmal alle Vorurteile aus dem Weg zu räumen: Ifa Wartburg heißen bürgerlich Nils und Magnus, kommen aus Stockholm und können so gut wie kein Wort Deutsch. Ausgerüstet mit einem deutschsprachigen Reimbuch, den richtigen Strickpullis und viel Enthusiasmus singen sie von der FDJ, Frau Gorbatschowa, der Insel Krim, dem alten bösen Kapitalismus oder Agrarwissenschaft.

Und das ganze in einer Direktheit, die den Zuhörer mehr als einmal an die Schmerzschwelle seines politischen Bewußtseins bringt. Da wird einem alles um die Ohren gehauen: "Wir sind hier so frei in der FDJ / wir sind hier so deutsch in der FDJ", tönt es aus den Lautsprechern. Und dann sieht einen Nils treuherzig an und sagt: "Wir wollen niemand beleidigen. Es geht nur um die Musik."

Wie jetzt? Da singt einer: "Die antifaschistische Mauer schützt Berlin" und erzählt, er meine damit gar nichts. Nils dazu: "Wir haben Musik gemacht, die russisch klingt, aber das können wir überhaupt nicht aussprechen. Da haben wir eben Ostdeutschland genommen. Und Liebeslieder machen ja alle. Wir singen lieber über Kohlrüben und den Fernsehturm." Um es auch mal zu sagen: Dieser schwurbelige Big-Band-Easy-Listening-Sound ist musikalisch derart brillant, daß Rolf und Magnus die Pet Shop Boys Skandinaviens sein könnten, würden sie doch Liebeslieder singen.

Aber hinter ihrem Interesse an der Oberfläche steckt viel mehr Erkenntnis über das Phänomen DDR, als die beiden vermutlich annehmen. Endlich einmal eine Betrachtung von Leuten, denen es einfach egal ist, ob sie Recht haben oder nicht. Hauptsache, die Musik schwurbelt. Mit Reflexion ist da natürlich nichts. Und ein "Babli Balula / Ein Mann aus Kabula / Er tanzt Hula Hula / Wie ein Hexenmeister in Zombia" kann man nicht mögen. Aber so war es halt, das Land der kasernierten Fremdarbeiter. Und einfach mal die realsozialistischen Schwachpunkte und den Alltag zu erzählen, ohne sich als Teil einer ideologischen Grundsatzdebatte zu sehen, ist befreiend.

Ihr "Es ist nicht so schlimm auf der Insel Krim" oder "Frau Gorbatschowa tanzt Bossanova" hat einfach Charme. Ihre glanzvollste Leistung entwickeln Ifa Wartburg dann in ihrer subtilen Dekonstruktion. Einen derart überfrachteten Begriffsapparat aufzubieten, nur um dann wahrhaft gar nichts zu sagen, das ist nun hundert Prozent DDR. Womit auch die Ostalgie-Vorwürfe daneben treffen.

Auf der CD "Im Dienste des Sozialismus" ist einfach so viel daneben, daß es nicht als platte Bestätigung rezipierbar ist. Vielmehr schaffen sich die beiden Schweden ihren eigenen besseren deutschen Staat, befreit von irdischen Zwängen. Angetrieben von etwas, was man die Faszination am Traktoristen nennen kann, entsteht ein selbständiges Universum. Die Schlußworte sollen deshalb auch die beiden selbst haben: "Ich bin der Kosmosrolf. / Ich bin ein Musikant. / Ich spiele so brillant. / Am besten in Kosmosland."

Ifa Wartburg: "Im Dienste des Sozialismus", Indigo, 1998