Kredite für die Vernichtung

Die Deutsche Bank hat den Aufbau der Lager in Auschwitz mitfinanziert. Nun mehren sich Stimmen gegen die Fusion mit dem US-Unternehmen Bankers Trust

Sollte das nun eine geschickte Strategie sein - die nicht ganz aufging -, um anhängige Klagen gegen das eigene Unternehmen besser abweisen oder möglichst klein halten zu können? War es der Versuch, die Flucht nach vorn anzutreten, da ohnehin alles bekannt würde? Oder war es einfach nur Zufall?

Daß die Deutsche Bank der SS und den am Bau des IG Farben-Werkes in Auschwitz beteiligten Firmen Kredite bewilligte, ist bislang nur vermutet worden. Doch seit dem vergangenen Donnerstag gibt es auch einen Nachweis: Das von der Deutschen Bank beauftragte (hauseigene) Historische Institut unter der Leitung von Manfred Pohl präsentierte Akten, die belegen, daß das Finanzinstitut mindestens zehn Unternehmen Kredite gewährte, die am Bau des Vernichtungslagers beteiligt waren.

Diese Aktenfunde sind zwar erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, den in vielen deutschen Zeitungen vielbeschworenen Skandal stellen sie allerdings nicht dar. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles kritisierte bereits kurz nach der Veröffentlichung, daß die Deutsche Bank immer noch nicht alle zur Verfügung stehenden Informationen zu ihrer Rolle als Geldgeberin im Dritten Reich offengelegt habe. Der Gründer des Zentrums, Rabbi Marvin Hier, verwies am Samstag auf den Omgus-Bericht aus dem Jahr 1946. Bereits dort sei die Beteiligung der Bank an der Finanzierung des Baus von Anlagen in Auschwitz, insbesondere die Kreditgewährung für den Bau einer dortigen Gummifabrik benannt und eine Anklage ihres Führungspersonals gefordert worden.

Der nun vorgelegte Nachweis rundet das Bild von der Rolle der Deutschen Bank während des Nationalsozialismus ab und entsorgt es gleichzeitig als historisch. Der Handel mit in Auschwitz geraubtem Gold, die Zwangsarbeit Zehntausender KZ-Häftlinge in von der Bank dominierten Firmen, die Übernahme von jüdischem Besitz und die Kriegsfinanzierung Nazi-Deutschlands werfen das denkbar schlechteste Licht auf die Historie der Bank. Daß die Verwicklung in das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte den Machteliten in Frankfurt am Main bis in die jüngste Zeit unbekannt war, glauben vermutlich nur die Seligen.

Effekt der Vorwärtsverteidigung: Künftig wird besser nachzuvollziehen sein, wie die Finanzierung des Konzentrations- und Vernichtungslagerkomplexes funktionierte; in welche auch kleinsten Verwaltungsvorgänge die Bank verstrickt war - vom kleinen Filial-Angestellten in den von Deutschland annektierten Städten Kattowitz, Bielitz, Teschen und Beuthen mit dem Wissen des zuständigen übergeordneten Filialbüros in Berlin bis hin zu Mitgliedern des dortigen Vorstands.

Selbst der oberste Haushistoriker des Unternehmens, Manfred Pohl, interpretiert die Akten ähnlich: Er müsse davon ausgehen, sagte er bei der Vorstellung der Forschungsergebnisse, daß der Vorstand der Bank in Berlin von solch hohen Krediten gewußt habe. Nur nach oben wird seiner Ansicht nach die Faktenlage dünner. Dabei saß mit Hermann Josef Abs ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank im Aufsichtsrat der IG Auschwitz. Und zwar seit Anfang Februar 1941, als mit dem Bau des IG Farbenwerkes in Monowitz die Expansion des KZ Auschwitz begonnen wurde.

Abs hatte sich bei der "Arisierung" von Banken und Firmen in jüdischem Besitz einen Namen gemacht. Erst 1998, nach dessen Tod, gestand Pohl zu, auch Abs müsse zumindest von den sogenannten Arisierungen gewußt haben - als Leiter der zuständigen Abteilung. Doch darüber, was Abs über Auschwitz gewußt habe, bestehe keine Gewißheit. Erst wenn das persönliche Archiv von Abs erforscht werden könne - es ist noch für Jahre für die Öffentlichkeit gesperrt - lasse sich mehr sagen. Ein anderes Mitglied der DB-Historikerkommission, Lothar Gall, ging 1998 sogar noch hinter Pohls Erkenntnisse zurück und behauptete, die Quellenlage lasse Rückschlüsse auf eine Mittäterschaft von Abs nicht zu.

Setzen rechtskonservative deutsche Tageszeitungen wie die FAZ und die Welt, indem sie den Thesen Galls breiten Raum geben, immer noch auf das Motto "Bloß keine Namen nennen", ordnen andere wie die junge Welt und das Neue Deutschland die neue Faktenlage einfach in ihren Erkenntnisstand der dreißiger Jahre ein: "Man mag das in 'Bank'furt nicht gerne hören, es charakterisiert aber die Wechselwirkung von Geld und Politik", schreibt Eberhard Czichon im ND, betont dabei aber, daß politische Entscheidungen im Nationalsozialismus nicht nur vom Kapital abhängig sein mußten. Die junge Welt geht einen Schritt weiter: "Die Deutsche Bank hat den Faschismus gefördert, finanziert und sich als Speerspitze bei der Ausplünderung der von den Nazis unterworfenen Länder hervorgetan. Bereits 1938 finanzierte die Deutsche Bank den NS-Staat bei seinen Kriegsvorbereitungen mit 35 Prozent ihres Gesamtvermögens". Fragen wie die von Ignatz Bubis in der jüngsten Ausgabe des Spiegel, "welches Unternehmen (denn) nicht in das System des Nationalsozialismus verstrickt war", nutzen da wenig.

Große US-Zeitungen wie die New York Times und die Washington Post deuten indes das Vorgehen der Deutschen Bank als Versuch, vor dem Hintergrund der Fusionspläne mit dem US-amerikanischen Bankers Trust das eigene Image aufpolieren zu wollen. Weitere Enthüllungen könnten das Zusammengehen "gefährden" und "blockieren". Bei der Ankündigung des Fusionsvorhabens im vergangenen Jahr hatte der Deutsche-Bank-Vorstand offensichtlich unterschätzt, wie stark die Öffentlichkeit in den USA seit der Auseinandersetzung um die nachrichtenlosen Konten in der Schweiz sensibilisiert ist. Jüdische Organisationen fordern seitdem, die Fusion nur dann zu genehmigen, wenn die Deutsche Bank zuvor Entschädigungen zahlt. Zahlen will die Deutsche Bank aber um keinen oder höchstens einen kleinen Preis.

Aber der Druck will nicht kleiner werden: Bereits vor zwei Wochen gab der New Yorker Anwalt Ed Fagan, der zahlreiche jüdische Kläger in den USA vertritt, bekannt, daß er aus Österreich neue Unterlagen über die Deutsche und die Dresdner Bank erhalten habe: "Jetzt schießen wir nicht mehr mit Kugeln, sondern mit Raketen". Die Akten kommen aus den Beständen von österreichischen Banken, mit denen Fagan zuvor einen Vergleich geschlossen hatte. Die Deutsche Bank scheint nun zu befürchten, daß die Entschädigungs- und Rückgabeforderungen gegen sie weiter in die Höhe steigen. Auch zeigt das Beispiel dieser Einigung, daß die Front der geschlossenen Archive bröckelt - höchste Zeit für das Unternehmen, in die Offensive zu gehen.