Pluralis majestatis sine Magno

"Das passiert nicht noch einmal", versichert Hans Magnus Enzensberger auf Nachfrage von Jungle World. Ohne sein Wissen hatte die Redaktion von wir selbst in ihrer aktuellen Ausgabe seinen Aufsatz "Von den Zumutungen der Kulturpolitik" veröffentlicht. Zwar war bei der Zeitschrift für Kulturaustausch, die den Text ursprünglich veröffentlicht hatte, die Genehmigung für den Nachdruck eingeholt, jedoch vorsichtshalber nicht erwähnt worden, wo wir selbst politisch steht. Die "Zeitschrift für nationale Identität" hatte sich als "Jugendmagazin" vorgestellt, berichtet Enzensberger.

Die Redakteure um Siegfried Bublies hatten guten Grund zu verschweigen, woher sie kommen. Gegründet 1979 als Zeitung einer Jugendorganisation der "Jungen Nationaldemokraten", hat sie sich zur bedeutendsten nationalrevolutionären Publikation entwickelte. Publizität erlangte sie vor allem durch ihre Stammautoren Lothar Prenz, Roland Wehl und Henning Eichberg. Bereits seit 1969 streiten sie für einen "dritten Weg" zwischen Kapitalismus und Kommunismus, für einen Ethnopluralismus, der das "Recht der Völker auf Selbstbestimmung" und eine Notwendigkeit des Kampfes für die "nationale Identität" gegen die "MacWorld" betont.

"Wer von den Völkern nicht reden will, sollte von den Menschen schweigen", heißt es in der Selbstdarstellung des Hochglanzmagazins, dessen Auflage nach eigenen Angaben bei 3 500 Exemplaren liegt. Mit ihrem Antiamerikanismus gingen sie auf die Friedensbewegung und mit ihrem Irrationalismus auf die Ökologiegruppen zu. wir selbst ist, so Eichberg, "die einzige Zeitschrift in Deutschland, in der Linke und Rechte miteinander uneinig werden können". In diesem Kontext bekommen Enzensbergers Worte im Doppelheft mit Themenschwerpunkt Globalisierung und Kultur einen anderen Klang. Wenn er über "einen deutschen Juden, dessen Schriften aus der Mode gekommen sind", klagt, daß "im Sinne dieses Verwertungsprozesses (...) die Kultur nichts weiter als eine Form der 'software' (ist), die beliebig verfügbar gemacht werden muß", so muß das in wir selbst antiamerikanisch konnotiert sein. Oder wenn er darstellt, daß die "kleinen Länder" kulturpolitisch schwer mithalten können, und daß es die "Europäische Kultur (...) nur im Plural" gibt, und "jeder Versuch, sie zu vereinheitlichen", scheitern müßte, könnte es hier als Ethnopluralismus verstanden werden.

"Der Verlag hat da leider nicht aufgepaßt", sagt Enzensberger. "Mir ist bewußt, daß solche Zeitschriften immer wieder versuchen, mit prominenten Autoren sich Renommee und Akzeptanz zu verschaffen."