Niemand schießt mehr

Mit einem Gewaltverzicht hoffen linke Separatisten auf eine Regierungsbeteiligung im Baskenland

Bei der "patriotischen Linken" des Baskenlandes herrscht geradezu euphorische Stimmung. Denn der konservative baskische Ministerpräsident Juan José Ibarretxe scheint bereit, die Wahlplattform Euskal Herritarok (EH) an der Regierung zu beteiligen.

Am Donnerstag legten EH und Ibarretxes Nationalistische Baskische Partei (PNV) zusammen mit der baskischen Eusko Alkartasuna (EA) dem Parlament in Vitoria ein Dokument vor, das einen Friedensprozeß "unter ständiger Abwesenheit von Gewaltäußerungen" fordert.

Auch wenn spanische Tageszeitungen sich sogleich empörten, die vom Parlament angenommene Erklärung enthalte keinen eindeutigen Gewaltverzicht, ist aus den Reihen der PNV zu vernehmen, die Konservativen seien sich sicher, daß die Wahlplattform der "patriotischen Linken" einen friedlichen Weg anstrebe und mit Anschlägen und Straßenschlachten im Baskenland nichts mehr zu tun haben wolle. Mit einer zum Gewaltverzicht bereiten "linkspatriotischen" Fraktion habe man schließlich gemeinsame Ziele.

Das Mißtrauen der spanischen Medien bezieht sich auf nicht näher bezeichnete Quellen aus dem Innenministerium und der Polizei. Danach soll die gesamte Eta-Führung in Frankreich identifiziert worden und nur wegen des Waffenstillstandes nicht festgesetzt worden sein. Die Einstellung des bewaffneten Kampfes wird daher in der Öffentlichkeit als "taktischer Waffenstillstand" gewertet, durch den sich die Eta-Führung einer drohenden Festnahme entziehen wolle. Die Tageszeitung El Pa's meldete beispielsweise, die Eta habe alle Aktivitäten eingestellt, um die Sicherheit der eigenen Mitglieder zu garantieren und die internen Strukturen ungestört neu aufzubauen.

In der Tat sprechen baskische Nationalisten seit der von EH, EA, PNV, der Vereinigten Linken und anderen Organisationen unterzeichneten politischen Erklärung von Estalla und dem Waffenstillstand der bewaffneten Separatistengruppe Eta (Jungle World, Nr. 39/98) von einem "nationalen Aufbau", mit dem die Kräfte für einen unabhängigen Staat gebündelt und gestärkt werden sollen.

Dazu gehört auch, daß die "patriotische Linke" seit dem 30. Januar - 198 Tage nach dem Verbot der Tageszeitung Egin durch den spanischen Sonderrichter Baltasar Garz-n - wieder über eine eigene Tageszeitung verfügt: Euskadiko Egunkaria gara - "Wir sind die Zeitung des Baskenlandes" - lautet der vollständige Titel. Auf der Titelseite steht aber nur Gara - "Wir sind". Nach den Worten von Mertxe Aizpœrua, der Direktorin des neuen Blattes bedeute das: "Wir sind da. Sie haben es nicht geschafft, uns kaputt zu kriegen." Immerhin haben über 10 000 Aktionäre in den letzten Monaten während der Solidaritätskampagne mit Egin Einlagen von je 10 000 Peseten (60 Euro) für den Aufbau eines neuen Zeitungsprojektes geleistet.

Aber die neue Zeitung will nicht nur den Platz der früheren Egin einnehmen, sondern künftig vor allem eine größere politische Autonomie gegenüber Herri Batasuna, der stärksten Kraft innerhalb von EH, wahren. Denn Gara soll für ein breiteres Spektrum attraktiv werden: "Wir sind eine Volkszeitung im eigentlichen Sinn des Wortes", erklärte Gara-Chefredakteur Mart'n Garitano der Jungle World.

Eingeständnisse an die politische Ausrichtung, so versichert Garitano, würden jedoch auf keinen Fall gemacht: "Gara ist keine Zeitung für alle, kein universelles Blatt, sondern links und fortschrittlich" - und natürlich "baskisch". Denn Gara ist "als nationale, große Zeitung des Baskenlandes" konzipiert, die zur "Förderung einer baskischen, nationalen Identität" beitragen soll. Und deswegen geht es hauptsächlich um Themen wie "baskische Kultur", die regionale Wirtschaft oder den Arbeitsmarkt Euskadis.

Dagegen werden Nachrichten aus den nicht-baskischen Teilen Frankreichs und Spaniens in den internationalen Teil verbannt.

Inhaltlich präsentiert sich das Blatt damit nicht wesentlich anders als sein Vorgänger Egin. Das wäre auch erstaunlich, schließlich arbeiteten fast alle Gara-Mitarbeiter bereits an der von dem Sonderrichter Garz-n geschlossenen Baskenzeitung mit. Beim Layout allerdings ist die neue Zeitung sichtlich um Seriosität bemüht.

Egin zeichnete sich auf der ersten Seite durch boulevardähnliche Schlagzeilen aus. Solche Schlagzeilen verbieten sich im neuen baskischen Mainstream. "Wir haben festgestellt, daß die erste Seite die Marktmöglichkeiten der alten Zeitung stark begrenzt hat", begründet der Gara-Chefredakteur die Image-Korrektur. Nach Schätzungen der Redaktion könnte die neue Zeitung die Auflage des Egin auf bis zu 90 000 Exemplare verdoppeln.

Und damit will man Geschichte machen: "So wie El Pa's in Spanien einst wichtigstes Medium in den letzten Jahren des Franquismus und zur Zeit des Übergangs zur Demokratie war", erklärt er seine großen Pläne, "soll Gara Synonym für die großen Veränderungen werden, die wir im Baskenland für möglich halten".