Wahlen in Nigeria

Ein General für alle Fälle

Wenn General Adusalam Abubakar Ende Mai die Macht der Militärs erstmals nach über 15 Jahren an einen gewählten Präsidenten abgibt, wird ein anderer General die Herrschaft über Nigeria fortsetzen: Olusegun Obasanjo. Denn der hat sowohl die Parlaments- als auch die Präsidentschaftswahlen gewonnen und darf sich nun auf die Umsetzung seines größten Versprechens vorbereiten. "Laßt uns Nigeria wieder groß machen", lautete der Wahlkampfslogan seiner People's Democratic Party (PDP).

Obasanjo ist zum Präsidenten gemacht worden. Vom Regime, das den ehemaligen Militärherrscher wieder dort haben wollte, wo er vor zwanzig Jahren schon einmal war: an der Spitze des größten und bevölkerungsreichsten Staates Westafrikas. Nur der Titel wird dieses Mal ein anderer sein. "Präsident" klingt angenehmer als "Vorsitzender des Militär- und Sicherheitsrates". Vor allem im Ausland. Dort sollen Wahllokale auch beliebter als Kasernen sein. Nicht oft, aber in jüngster Zeit immer wieder.

Auch die Bevölkerung wollte den "General und Versöhner" (Nigeria Today) und wählte ihn mit großer Mehrheit. Staatliche Verwaltungsstellen mußten kaum noch nachhelfen. Der Leiter der internationalen Wahlbeobachtergruppe sprach zwar von Unregelmäßigkeiten, auch könne Wahlfälschung in größerem Umfang nicht ausgeschlossen werden, doch reiche dies nicht aus, die Rechtmäßigkeit der Wahl in Frage zu stellen. Ironie am Rande: Als Oberster Wahlbeobachter durfte sich Colin Powell betätigen, Kriegsheld der USA im Zweiten Golfkrieg und ehemaliger General.

Gewählt wurde Obasanjo von allen Teilen der Bevölkerung. Wenn ein Land wie Nigeria trotz riesiger Energie- und Rohstoffvorkommen so verarmt, wie es in den letzten zehn Jahren geschehen ist, spielt der Klassenstandpunkt offensichtlich keine Rolle mehr. Zumal es Obasanjo allen recht machen will: Mehr Gewerbefreiheit für die einen, eine günstigere Verteilung der Einnahmen aus der Erdölförderung für die Regionen (und damit theoretisch an alle, praktisch an die jeweilige Verwaltung samt ihren Begünstigten). Nur im Südwesten des Landes soll der General schlecht weggekommen sein. Dort wird das meiste Öl gefördert, dort ist der Widerstand gegen die Umverteilung der Einnahmen am größten.

Hinzu kommt, daß Obasanjo aus dieser Region stammt. Das tut zwar eigentlich nichts zur Sache, doch spielt in Nigerias Machtsystem Herkunft eine ähnliche Rolle wie das je unterschiedliche Einkommen. Nach verschiedenen Schätzungen werden bis zu 450 Bevölkerungsgruppen angegeben, die politisch repräsentiert und ökonomisch versorgt sein wollen. Selbst- und Fremdethnisierungen überlagern politische Vorlieben, Verteilungsstreitereien und andere Machtkämpfe. Obasanjo aber hat ebenso viele Freunde im Norden und Westen wie im Osten. Kurz: Er mochte im Ethno-Diskurs nicht so recht mitspielen und präsentierte sich als Einiger, als gesamt-nigerianischer Nationalist.

Das kam an. Bereits seit geraumer Zeit bei den Militärs um Abubakar: Sie kennen die militärische Stärke Nigerias in der Region ebenso gut wie die ökonomische Schwäche des Landes: Ohne Geld keine Waffen, ohne Waffen keine politische Hegemonie in Westafrika, mögen sich die Offiziere überlegt haben. Auch die militärische Übermacht wäre dann irgendwann hinfällig - und damit die eigene Daseinsberechtigung.

Mit dem Präsidenten-General hat man in Lagos den richtigen Mann gefunden, um die von allen Seiten erwünschte Stärkung Nigerias in der Region gut umsetzen und sie gleichzeitig als demokratische Machttransformation erfolgreich verkaufen zu können: "Er ist (...) ein Soldat, ein ehemaliger Staatschef, ein internationaler Staatsmann, begnadigter Ex-Häftling und seit kurzem auch Politiker. Als Soldat war er unter der ersten Generation nigerianischer Militäroffiziere, die in westlicher Militärtradition trainiert wurden. Eine Tradition, die den Offizier als Ehrenmann, Gentleman, Patriot und Verkörperung von Disziplin prägt", schmeichelte die Regierungszeitung Nigeria Today. Kurz: Obasanjo ist im Westen bekannt und wird auch dort allseits geschätzt.