Neue EU-Knigge

Der Haussegen in Brüssel hängt schief. Schuld ist das schlechte Benehmen einiger EU-Kommissare. Statt wie angestrebt ein Beispiel für eine tadellose Politik- und Verwaltungskultur abzugeben, üben sie sich in Vetternwirtschaft: Die französische Kommissarin Edith Cresson verdealt gut bezahlte Hiwi-Jobs an Freunde, ihr spanischer Kollege Manuel Marin bedient sich aus der Schatulle für humanitäre Hilfe und der portugiesische Amtsträger Jo‹o de Deus Pinheiro läßt sogar Frau und Schwager für sich arbeiten. Der EU-Kommissionspräsident Jacques Santer nimmt dies persönlich: "Jeder Betrugsfall tut mir weh". Um einem drohenden Mißtrauensvotum durch das Europa-Parlament zu entgehen, will Santer mehr Transparenz schaffen und gegen die Korruption vorgehen. Ein erweiterter Verhaltenskodex für Kommissare soll für mehr Glaubwürdigkeit sorgen. Bisher war den Chef-Beamten nur untersagt, einen Nebenberuf auszuüben, sich als Zeitungskolumnisten zu betätigen oder Honorare für Reden einzustreichen. Nun müssen die Kommissare auf unbezahlte Wahlämter verzichten und die Tätigkeiten ihrer Lebensgefährten offen legen. Auch sollen künftig alle Zuwendungen, die 150 Euro überschreiten, eingesammelt werden. Die nächste Belastungsprobe steht für den 15. März an. Dann veröffentlicht die einberufene Untersuchungskommission einen detaillierten Bericht über zahlreiche Veruntreuungsvorwürfe.