Mutanten á la carte

Die Verabschiedung eines Biosafety-Protokolls ist gescheitert. Konzerne sichern sich die Patente auf Gene von Tieren und Pflanzen

Bekenntnisse zu Gentechnik-Lebensmitteln haben in Großbritannien derzeit Konjunktur: "Ich esse sie furchtbar gerne", erklärt Tony Blair und versucht so, der skeptischen Bevölkerung und ihrem Prinzen Charles die Kost schmackhaft zu machen. Mehrheitlich folgt sein Wahlvolk laut Umfragen nämlich ihrem Prinzen, und der ist nicht überzeugt von den neuen Kreationen der Gentech-Industrie.

Bestätigt fühlen sich die ZweiflerInnen zudem durch die öffentlich bekannt gemachten Ergebnisse des britischen Genforschers Arpad Pusztai. Er hatte in einem Versuch Ratten mit transgenen Kartoffeln gefüttert, die das Schneeglöckchen-Eiweiß GNA produziert hatten und so gegen Insekten geschützt sein sollten. An den Ratten hatte er in der Folge Veränderungen am Gewicht von Organen und am Immunsystem beobachtet. Er zog daraus öffentlich die Schlußfolgerung, Gentechnik-Lebensmittel solle man lieber nicht essen.

Das hätte er besser nicht getan. Das Institut, an dem er arbeitete, entband ihn daraufhin von seinen Verpflichtungen. Erstens seien seine Forschungsergebnisse nicht seriös und deshalb zweitens seine Schlußfolgerung - Gentechnik-Lebensmittel seien gefährlich - nicht zutreffend.

Die Rehabilitierung seiner Arbeit durch eine Gruppe von WissenschaftlerInnen im britischen Guardian entfachte die Diskussion um die Seriosität seiner Forschung und führte zu einer heftigen öffentlichen Auseinandersetzung um die Unbedenklichkeit gentechnischer Lebensmittel. Die britische Öffentlichkeit erfuhr so auch, daß das Institut des Forschers Pusztai im vergangenen Jahr 400 000 Mark an Fördergeldern vom US-Konzern Monsanto erhielt, dem derzeit aggressivsten Gentechnik-Konzern, der kein Interesse an Pusztais Arbeit haben konnte.

Auch auf dem Kontinent wächst die Kritik an der Gentech-Lobby. Mehrere EU-Staaten haben sich auf Druck ihrer BewohnerInnen entschlossen, sich mit Verboten und Einfuhrstopps gegen gentechnisch veränderte Pflanzen und Lebensmittel zu wehren. Frankreich und Dänemark zum Beispiel haben ein Moratorium für die Freisetzung von Gen-Pflanzen verhängt, Österreich und Luxemburg ein Vermarktungsverbot für gentechnisch veränderten Mais des Novartis-Konzerns erlassen. Hieß es früher von seiten der Industrie, das Verwildern oder Auskreuzen von Gen-Pflanzen und eingebauten Genen sei ausgeschlossen, ist beides mittlerweile mehrfach dokumentiert.

Auf internationaler Ebene ist Teilen der Gentech-Industrie bei den Verhandlungen über eine weltweite Vereinbarung zur biologischen Sicherheit jedoch ein wichtiger Sieg gelungen. Vorerst wird es keine verbindliche internationale Regelung des Handels mit gentechnisch veränderten Organismen geben.

In Kolumbien hatten sich im Februar VertreterInnen von weit über 100 Staaten getroffen, um das sogenannte Biosafety-Protokoll zu verabschieden, das den Handel mit Gen-Organismen regeln sollte. Das Protokoll gehört zur "Konvention über biologische Vielfalt", die 1992 auf dem Gipfel der UNCED (UN-Conference on Environment and Development) in Rio beschlossen worden war. Sie trat 1993 in Kraft und wurde von über 130 Ländern ratifiziert. Dieser völkerrechtlich verbindliche Vertrag fordert den Schutz der biologischen Vielfalt der Erde und deren nachhaltige Nutzung, soll aber auch den gleichberechtigten und gerechten Zugang aller Länder zu den genetischen Ressourcen der Erde sichern. Weiterhin besagt er, daß Bio- und Gentechnologie so eingesetzt werden sollen, daß sie die biologische Vielfalt der Erde nicht gefährden. Um dies sicherzustellen, sollte das Biosafety-Protokoll verabschiedet werden.

Allerdings spiegelte bereits der Text der "Konvention über biologische Vielfalt" deutlich unterschiedliche Auffassungen über die Rolle von Gen- und Biotechnologien wider. Im wesentlichen auf die Industriestaaten geht nämlich die enthaltene Formulierung zurück, daß Biotechnologien eine wichtige Rolle für den Erhalt der biologischen Vielfalt spielen sollen. Das Nebeneinander von Förderungs- und Kontrollzielen bei diesen Technologien belegt den Kompromißcharakter der Konvention.

Hintergrund sind dabei nicht nur differierende Einschätzungen von Staaten über die Auswirkungen der Gen- und Biotechnologien, sondern auch unterschiedliche Strategien westlicher Konzerne, wie der weltweite Einsatz dieser Technologien so reibungslos wie möglich durchgesetzt werden kann. Eine gewisse weltweite Regulierung kann für die Akzeptanz von Gen-Produkten hilfreich sein, zugleich in bislang widerwilligen Ländern des Südens den Marktzugang sichern helfen und damit Investitionssicherheit bieten.

Entwicklungsländer hingegen wollten die Verhandlungen um das Biosafety-Protokoll nutzen, um über das Protokoll Schutzbestimmungen durchzusetzen, die nicht nur den ungehinderten Zugriff der Gentechnik-Konzerne auf die in ihren Ländern vorhandene genetische Vielfalt einschränken, sondern auch ihre nationalen Agrarmärkte vor der völligen Übernahme schützen.

Zur Zeit erforschen die Konzerne die Gene von Pflanzen und Tieren der südlichen Hemisphäre und sichern sich durch Patente den alleinigen Zugriff auf diese Ressourcen. Zugleich nutzen sie die Entwicklungsländer als Absatzmärkte und Anbauflächen für ihre Gen-Produkte. Die Mehrzahl der Entwicklungsländer verfügt weder über gesetzliche Regelungen noch Institutionen, die zumindest eine Kontrolle von Gentechnik-Importen möglich machten. Sie hatten deshalb im Verbund mit Umweltorganisationen gefordert, daß das Biosafety-Protokoll sowohl Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Organismen und Produkte als auch eine Genehmigungspflicht von Importen sowie eine Haftung der importierenden Firmen für Schäden enthält. Zudem sollten auch gesundheitliche und sozioökonomische Auswirkungen berücksichtigt werden.

Einheitlich sind die Positionen der südlichen Staaten in diesen Fragen nicht. Länder wie Argentinien oder Uruguay stellten sich in den Verhandlungen hinter die USA. Auch Teile der Eliten anderer ärmerer Staaten versprechen sich durch die Beteiligung am Gentechnik-Geschäft ihren Anteil. Doch die Mehrheit der Entwicklungsländer vertritt ihre andersgelagerten Interessen; zu konsequenten Gegnern der Gentechnologie werden sie dadurch nicht notwendigerweise.

Gescheitert sind die Verhandlungen zum Biosafety-Protokoll dennoch hauptsächlich an den USA, die für ihre Industrie einen besonders schwach regulierten Gentechnik-Markt aufrecht erhalten wollen. Eine Einigung wäre wohl nur bei fast vollständigem Verzicht auf wirksame Kontrollen des Handels mit genetisch veränderten Organismen möglich gewesen.

Die Blockadehaltung der USA liegt im Interesse eines Konzerns wie Monsanto, der sich in den letzten Jahren zum Gentechnik-Riesen entwickelt hat. Durch Joint Ventures, Übernahmen und Aufkäufe von Saatgut- und Züchtungsfirmen und dem Aufbau eigener Biotechnologie-Kapazitäten versucht der Konzern, im Agrobusiness eine weltweit dominante Stellung zu erreichen.

Besonderen Stellenwert hat dabei die Strategie, den Verkauf von gentechnisch verändertem Saatgut mit dem Vertrieb von selbst produzierten chemischen Bekämpfungsmitteln (Herbizide, Fungizide, Insektizide) zu koppeln. Mit dem gesicherten Patent auf ein solches Paket versprechen sich Konzerne wie Monsanto, ganze Regionen unter ihre Kontrolle zu bringen. Im Visier sind dabei ganz besonders die etwas potenteren Länder des Südens wie z.B. Brasilien, Argentinien oder Indien.

Die Entwicklung scheint in folgende Richtung zu gehen: Während die europäischen Staaten ihren Bevölkerungen höhere Schutzstandards beim Einsatz der Gentechnologie bieten, um ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu sichern, müssen die ärmeren Länder das Versuchsgebiet nicht nur für einen US-Konzern wie Monsanto, sondern auch für europäische Unternehmen abgeben.

Etabliert werden so zwei unterschiedliche Sicherheitsniveaus. Der Besorgnis wohlhabender Europäer wie Prinz Charles, von Auswirkungen der Gentechnologie betroffen zu sein, kann soweit entgegengekommen werden. Er erhält höheren Schutz und wird beruhigt; für den Rest der Welt braucht dieser nicht zu gelten.