Ende der OSZE-Mission

Aussichtslose Lage

Früher Morgen in der Kosovo-Hauptstadt Pristina. Eine Gruppe von mehreren Dutzend Menschen wartete an diesem 20. März vor dem sechsstöckigen Hauptquartier der OSZE-Mission in der Beogradska Straße. Jetzt begann sie also wirklich: die Evakuierung von etwa 1 500 Beobachtern, die teilweise schon monatelang in der Stadt stationiert waren.

Dabei stellten wir uns schon seit Wochen auf diesen Tag ein. Bereits am 18. Februar, als die Gespräche von Rambouillet im Gange waren, machten Gerüchte über eine bevorstehende Evakuierung die Runde. Journalisten und TV-Teams versammelten sich vor dem Grand Hotel, um unsere Abreise filmen zu können. Aber wir hatten keinen Befehl zur Evakuierung. Am folgenden Tag veranstalteten wir sogar eine "Evakuierungsparty" im Restaurant "Tricky Dick", das einer Gruppe britischer und amerikanischer Journalisten gehörte und den Spitznamen von US-Vermittler Richard Holbrooke trägt.

Aber an diesem 20. März war uns nicht nach Party zumute. Heimlich setzte sich eine lange Schlange unserer orangefarbenen OSZE-Autos in Richtung Skopje in Bewegung. Die Evakuierung war gut organisiert und die serbischen Grenzposten machten keine Schwierigkeiten, uns aus dem Land zu lassen.

Die OSZE hat das Kosovo verlassen und Jugoslawien den Bomben der Nato überlassen. Wenige Stunden nach unserer Abreise begann der Terror der jugoslawischen Armee. Wir ließen einige unbewaffnete serbische und albanische Sicherheitsleute zurück, die unser Hauptquartier bewachen sollten. Wenige Stunden später waren zwei von ihnen tot und mehrere andere schwer verletzt. Aber auch von albanischer Seite flammten die Kampfhandlungen erneut auf: Kaum hatten wir Pristina verlassen, hörten wir von der Ermordung von vier Polizisten.

Was hatte die internationale Gemeinschaft nicht alles versprochen. Freie Wahlen, Demokratisierung, Demilitarisierung. Ich kann mich noch gut an die Scherze des Chefredakteurs der kosovo-albanischen Tageszeitung Koha Ditore erinnern: Als Veton Surroi Mitte März das Flugzeug nach Paris bestieg, meinte er, er würde ja sofort den Friedensvertrag unterschreiben, wenn er einen Kugelschreiber dabei hätte. Veton Surroi ist jetzt verschwunden.

Im Oktober 1998 begann die OSZE-Mission im Kosovo. Zum Schluß waren etwa 1 500 Beobachter eingesetzt. Wir eröffneten fünf regionale Büros und einige kleine Dependancen, um die ganze Region beobachten zu können. Wir beschränkten uns aber nicht nur darauf, einen Waffenstillstand zu überwachen, sondern versuchten auch, die Infrastruktur zu verbessern: Wir reparierten die zusammengebrochene Stromversorgung, begleiteten Ärzte zu ihren Patienten. Einmal wurde ein Baby in einem OSZE-Fahrzeug geboren.

Nach den Ereignissen von Racak Mitte Januar richteten wir auch dort ein Büro ein, um die Bewohner zur Rückkehr in ihr Dorf zu bewegen. Unsere Abreise am 20. März war allzu abrupt, und es passierte, was wir vorausgesehen hatten: Die Vertreibung der Kosovo-Albaner begann und das Gefüge, das auch wir versucht hatten aufzubauen, brach zusammen. Angst regiert nun das Leben von Albanern und Serben im Kosovo. Die wenigen Serben im Kosovo sind vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten und leben in kleinen Enklaven.

Eine Woche nach Beginn der Nato-Angriffe ist die Situation aussichtsloser denn je. Zahllose albanische Zivilisten wurden ermordet, andererseits wurden auch serbische Soldaten getötet, die oft gegen ihren Willen kämpften. Zehntausende Zivilisten fliehen nach Montenegro, Albanien und Mazedonien. Ein völlig sinnloser Krieg zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat begonnen. Verhandlungen, das zeigt sich jetzt ganz deutlich, sind die einzige Lösung. Bombardements oder die Drohung, die Verantwortlichen vor das Gericht zu zerren, sind völlig sinnlos. Das hat noch nie funktioniert.

Paul Maitland-Addison war hochrangiger Mitarbeiter der OSZE-Beobachter-Mission in Pristina; Übersetzung Marcel Noir.