Re-Education in Brandenburg

Kapitalisten vs. Rassisten

Schön ist es in Deutschland. Zumindest das Wetter, manchmal: ein warmer Sonnenstrahl, ein weicher Wind, dazu ein wunderbarer Duft von frischen Blüten. Da gibt's nur eines: Raus auf den Balkon und schauen, wer vorbeiflaniert. Frühlingsgefühle. Anstatt sich aber an mittelblonden Haaren, bunten Hemdchen und weißen Hautfetzen frohgemuter Jungs und Mädchen zu erfreuen; anstatt also einfach ein Eis am Stiel oder schlicht die wenigen schönen Momente des Lebens zu genießen, hat der gemeine Ossi - und insbesondere der verklemmte Brandenburger - ein Problem: daß die Ausländer ihm die Sonne klauen.

Also schnappt sich ein Balkonsitzer aus Schwedt an der Oder in dem Moment, in dem er einen vorbeilaufen sieht, der nicht ganz so käseweiß ausschaut wie er, ein 25 Zentimeter langes Messer, rennt panisch auf die schlaglöchrige Straße und stößt es dem Asylbewerber derart heftig in die Rippen, daß die Klinge abbricht. "Purer Ausländerhaß", konstatiert der Staatsanwalt. Alltag im Land der Weizenfelder und Kiefernwälder, der Seen und Alleen.

Die nüchterne Betrachtung der Realität ergibt ein aussagekräftiges Bild. In einem Bundesland, in dem der CDU-Landeschef der rechtsextremen Jungen Freiheit ein Interview gibt, in dem der SPD-Landesvater noch jeden xenophoben Angriff mit mangelnden Arbeitsplätzen und zu wenig Billardtischen in Jugendklubs erklärt, in dem wie in Gollwitz die Kommunistische Plattform der PDS um Verständnis für antisemitische Bürgerinitiativen wirbt - in einem solchen Bundesland bleiben diejenigen als einzige zivilisatorische Kraft übrig, denen auf linken Demonstrationen immer noch vorgeworfen wird, sie stünden hinter dem Faschismus: die Kapitalisten. Aber Brandenburg liegt nicht in Chile, und 1999 ist nicht 1929.

Ein paar Beispiele: Kaum hatte der französische Usinor-Konzern das Stahlwerk Eko in Eisenhüttenstadt zu Jahresbeginn übernommen, begann - so berichtete das Handelsblatt jüngst sympathisierend - die psychologische Entnazifizierung der Beschäftigten. Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin wurde mit französischer Impertinenz dazu aufgefordert, auf einer Postkarte an die Landesregierung folgenden Satz zu vervollständigen: "Ich wünsche mir ein tolerantes Brandenburg, weil ..."

Zuvor waren zwei Lehrlinge, die den Koch eines Balkan-Grills zusammengeschlagen hatten, entlassen worden - gegen den Protest aus Gewerkschaftskreisen. Usinor scheut weder Kosten noch Mühe: Ein öffentlicher Aufruf gegen Gewalt gegen Ausländer zählt ebenso zum Repertoire wie mehrtägige Nachhilfe-Seminare, die die Lehrlingsausbilder endlich zu couragiertem Auftreten gegen Rechte animieren sollen.

Auch die Industrie- und Handelskammer Cottbus läßt sich den kapitalistisch verordneten Antifaschismus einiges kosten. Als erste IHK der Republik leistet sie sich neuerdings einen Ausländerbeauftragten, der gleich öffentliche Veranstaltungen organisiert, den Brandenburgern ins Gewissen zu reden. Kammerpräsident Jürgen Kothe will die offensive Auseinandersetzung mit der Xenophobie nicht als "Multi-Kulti-Aktion", sondern als "aktive Wirtschaftsförderung" verstanden wissen. Schließlich wäre die Arbeitslosigkeit ohne ausländisches Kapital in Brandenburg noch höher; rund 19 000 Jobs haben hier nichtdeutsche Investoren bislang geschaffen.

Den in- oder ausländischen Managern vorzuwerfen, ihnen gehe es mit ihren antinazistischen Kampagnen nur um ihr eigenes Leben oder um ihre Geschäfte, ist schlicht eines: makaber. Jeder Brandenburger und jede Brandenburgerin mehr, die irgendwie ein schlechtes Gewissen bekommen und auch nur einmal eingreifen, wenn Nazis versuchen zu morden, ist ein Fortschritt. Schließlich geht es in Brandenburg schon lange nicht mehr um politisch korrekte Analysen oder radikale Gesten, sondern um Leben oder Tod bedrohter Menschen.

Ob aber die anti-rechten PR-Aktionen etwas bringen, darf getrost bezweifelt werden. Das gilt jedenfalls so lange, wie sich Mordanschläge nach dumpfer Logik lohnen. Denn wenn ein Mediziner aus Schwaben nur deswegen nicht Werksarzt bei der BASF in Schwarzheide wird, weil er Angst um das Leben seiner spanischen Frau hat, haben so manche Ossis erreicht, was sie erreichen wollten: daß ihnen Fremde keine Jobs wegnehmen.