Braungefärbter Pazifismus

Deutschlands extreme Rechte diskutiert den Angriff auf Jugoslawien

Wer spricht da? Für die deutsche Beteiligung an den Bomben auf Jugoslawien "müßte der Paragraph 26 des Grundgesetzes greifen, wonach ein Angriffskrieg eben verboten ist". Und weiter: Es werde hiermit nicht nur "eindeutig die Charta der Vereinten Nationen verletzt, sondern es sei auch zutreffend, "daß hier ein Bruch des Nordatlantikvertrages stattfindet". Der Verdacht liegt nahe, daß es sich um einen PDSler handelt oder aber um einen Alt-68er, der noch nicht alles vergessen hat.

Fast stimmt das auch. Denn es geht um den Ex-SDSler Günter Maschke, der sich inzwischen zu einem der wichtigsten Theoretiker der Neuen Rechten in Deutschland entwickelt hat. Folgerichtig ist es auch das schwarz-braune Blättchen Junge Freiheit, dem Maschke die Konsequenzen des Nato-Angriffs erläutert: "Dann kann künftig überall beliebig interveniert werden, mit Hinweis auf die äußerst deutbaren Menschenrechte. Die dienen dann als Tarnung für imperialistische Interessen. Wenn ich die Interpretationsmacht habe und auch die notwendige militärische Interventionskraft, dann kann ich überall auf der Welt meinen politischen Willen durchsetzen."

Der altgediente Renegat Maschke ist kein Einzelfall. In den Zeitungen und Zeitschriften der extremen Rechten präsentiert sich eine ganze Division braungefärbter Friedensengel. Die Vorreiterrolle haben die Jungen Nationaldemokraten übernommen - mit einem Strafantrag gegen die Bundesregierung wegen des "Führens eines Angriffskrieges". Doch vergeblich. Generalbundesanwalt Kay Nehm wehrte bisher alle juristischen Vorstöße ab.

Dennoch zeitigen sie Wirkung: Die Junge Freiheit druckte genüßlich als Faksimile eine Strafanzeige der früheren grünen Bundestagsfraktion wegen der geplanten Stationierung von Cruise Missiles ab; "Vorbereitung eines Angriffskrieges", lautete 1981 der Vorwurf der Grünen. Einem Friedhelm Schröder reicht das noch nicht: Die von ihm geschaltete Anzeige mit einem Bild vom Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß ist versehen mit dem Text "Rot-grüne Kriegstreiber, wir warten auf Euch!"

Der frühere Oberst Alfred Mechtersheimer, einstige Galionsfigur der Friedensbewegung, fordert hingegen in einer Presseerklärung seines "Friedenskomitees 2000": "Als ehemaliger Abgeordneter in der Grünen Bundestagsfraktion appelliere ich an Außenminister Joschka Fischer, der ohne die Friedensbewegung heute nicht in diesem Amt wäre, sich der militärischen Unlogik zu verweigern und mit russischer Unterstützung den Nato-Schlag doch noch abzuwenden bzw. eine Fortsetzung des Angriffs zu verhindern." Nachdem Fischer erwartungsgemäß nicht reagierte, legte Mechtersheimer eine Woche später nach: "Ich schlage vor, daß die grüne Fraktion sämtliche Spiegel verhängt. Ein solches Maß an Opportunismus hätte ich den Grünen nicht zugetraut."

Bis auf wenige Ausnahmen herrscht im gesamten Spektrum der extremen Rechten Einigkeit in der Verurteilung des Nato-Überfalls vor. Zu diesen Ausnahmen zählt, wie schon häufig, der Kölner Funktionär der Deutschen Liga, Manfred Rouhs. Rouhs ist zwar eigentlich auch gegen den Krieg, aber - da er nun einmal begonnen worden sei, müsse man nun auch gewinnen.

Mit dieser Position liegt Rouhs nicht weit entfernt von der des früheren FPÖ-Chefideologen Andreas Mölzer, der sich Gedanken über die verbleibenden Optionen macht. Ein Krieg zu Lande könne "nur in eine ungeheure Metzelei ausarten", deshalb bleibe nur eine "Kommandoaktion ˆ la Skorzeny", um die jugoslawische Führung vor ein Kriegsverbrechertribunal zu bringen - Skorzeny war einer der SSler, die Mussolini befreiten.

Endlich ist für die Adepten des NS-Staatsrechtlers Carl Schmitt dessen vielbeschworener Ernstfall da. Und doch haben sie dabei Bauchschmerzen. So jammert Klaus Hornung vom CDU-nahen Studienzentrum Weikersheim, es zeige sich "bei der Frage nach einem eventuell notwendigen Einsatz von Bodentruppen das ganze Dilemma der konsumgesellschaftlichen Demokratien des Westens, wenn sie auf einen Gegner treffen, der den Ernstfall nicht scheut". Zwar ist auch Hornung nicht ganz wohl bei der Angelegenheit, doch: "Hat man sich aber für Bündnis- und Politikfähigkeit entschieden, dann sollte man den Konsequenzen in die Augen blicken."

Bei soviel Uneinigkeit im Detail entscheidet sich der geübte Opportunist und Chefredakteur der Jungen Freiheit, Dieter Stein, beide Positionen zu übernehmen. Bei ihm heißt es: "Ein militärisch gesichertes Protektorat Kosovo - ohne Beteiligung deutscher Soldaten! - ist jetzt die einzige Chance, die Region zu befrieden." Aber schon einen Absatz später kommt er zu der Erkenntnis: "Den beteiligten Völkern, insbesondere den Serben, weiteren Gesichtsverlust zuzufügen, ist historisch ignorant und politisch falsch."

In fast allen Stellungnahmen der extremen Rechten wird immer wieder herausgestellt: Wir Deutschen sind nicht die Vorreiter gewesen. Es waren natürlich die US-Amerikaner, die uns zum Mitmachen gezwungen haben. Denn nur sie haben einen Vorteil, wenn die Europäer ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln. Der ökofaschistische Bund zur Rettung des Lebens schafft es sogar, den Krieg zu verurteilen, ohne die Mitwirkung Deutschlands überhaupt zu erwähnen. "Gestern über 400 000 tote Zivilisten in Dresden, später in Teheran, Bagdad, Sudan und Uganda, jetzt viele Tote auch in Serbien", klagt der Verein in seinem Rundbrief. Deutschland kommt nur als potentielles Opfer vor: "Morgen kann Kuba, Nordkorea oder Dein eigenes Haus dran sein."

Vorgegeben hat den neu entdeckten Friedenskurs Franz Schönhuber. Bereits im Februar forderte er eine "Neubewertung des Soldatentums". Und kam zu dem Schluß: "Ich halte den Pazifismus im Sinne von Bertha von Suttner (...) weltweit auch auf der rechten Seite für nachdenkenswert. Keinesfalls aber darf es wieder wie beim Boxeraufstand in China heißen: 'The Germans to the front'. Schon gleich gar nicht, wenn sich Völker gegen den Weltpolizisten Amerika und seinen Hilfswilligen, England, auflehnen."

Wenn schon Krieg ist, soll er uns auch nutzen. Nur uns. Auf diese Position kann sich die gesamte extreme Rechte sehr wohl einigen.