Der Anführer der Räuber

Vor zwanzig Jahren wurde Ugandas bizarrer Diktator Idi Amin gestürzt

Wer erinnert sich noch an Idi Amin? Zwar wurde sein Name zusammen mit denen anderer politischen Ikonen der siebziger Jahre in einem damals populären Song von Otto Waalkes verewigt ("Honecker, Honecker, Stoltenberg!"). Aber das ist lange her: Vor zwanzig Jahren, am 12. April 1979, zog die tansanische Armee, unterstützt von einigen ugandischen Oppositionsgruppen, in Kampala ein und beendete damit die Schreckensherrschaft des ugandischen Armeechefs und Präsidenten.

Wegen seiner extravaganten Aktionen wurde Idi Amin oft als Polit-Clown abgetan - berühmt wurden seine Telegramme an andere Staatschefs. An US-Präsident Richard Nixon kabelte er: "Ich liebe Dich!" und empfahl ihm gleichzeitig, die Präsidentschaft an einen schwarzen Politiker abzugeben. Bei einem OAU-Treffen in Gabun 1977 trat er in einer Phantasieuniform auf und erklärte sich zum Eroberer des britischen Weltreiches.

Idi Amins Werdegang war typisch für afrikanische Politiker nach Erreichen der Unabhängigkeit. Wie Kongos Ex-Diktator Mobutu Sese Seko schaffte er es, vom einfachen Unteroffizier in der Kolonialarmee zum unumschränkten Herrscher seines Landes aufzusteigen. Die Armeen der unabhängig gewordenen Länder brauchten schnell einheimische Offiziere, und da schadete es auch nichts, daß Idi Amin kaum lesen und schreiben konnte.

Der erste ugandische Präsident Milton Obote benutzte ihn als "Geheimwaffe" in der Armee für verschiedene Sonderaufträge, und so stieg Idi Amin schnell zum Armeechef auf. Mitte der sechziger Jahre, während des Bürgerkriegs im westlichen Nachbarland Kongo, organisierte Amin den Gold- und Elfenbeinschmuggel für die kongolesischen Rebellen und verdiente dabei selbst ein Vermögen. Eine immer noch florierende Branche: Auch heute noch wird der ugandischen Armee vorgeworfen, Gold aus dem Osten des Kriegslandes Kongo zu schmuggeln.

Seiner Absetzung durch Obote kam Idi Amin im Januar 1971 durch einen Staatsstreich zuvor, der von den meisten Einwohnern Ugandas mit Jubel aufgenommen wurde. Obote hatte sich durch die Ausschaltung seiner Rivalen aus den Reihen der Buganda, der größten ugandischen Bevölkerungsgruppe, unpopulär gemacht. Und Idi Amin galt als ungefährlich, weil er Kakwa war, somit einer Minderheit in Uganda angehörte, die zum größten Teil im Sudan und Kongo siedelte. Auch im Westen wurde der Coup begrüßt: Obote hatte sozialistische Experimente gewagt und äußerte sich zunehmend kritisch über die engen Verbindungen des Westens mit dem südafrikanischen Apartheids-Regime.

Unmittelbar nach dem Staatsstreich begann der Massenmord, für den Amins Regime später berüchtigt werden sollte - zuerst in der Armee, später an allen, die Amin kritisch gegenüberstanden: Intellektuellen, Politikern und kirchlichen Würdenträgern. 300 000 Menschen sollen nach der meistzitierten Schätzung der achtjährigen Herrschaft Amins zum Opfer gefallen sein.

1972 gab Idi Amin den 60 000 in Uganda lebenden "Asiaten", die während der britischen Kolonialzeit vom indischen Subkontinent dorthin gebracht worden waren und von denen rund die Hälfte einen ugandischen Paß hatte, drei Monate Zeit, das Land zu verlassen. Ihre Unternehmen und ihre gesamte Habe wurden enteignet und an Parteigänger Amins verteilt. Amin selbst riß sich einige Luxusautos unter den Nagel und kurvte mit ihnen in Kampala herum - was einen seiner geflohenen Minister später zu der Äußerung veranlaßte: "Es zeigte den Staatschef als das, was er war: der Anführer der Räuber." Da die "Asiaten" fast eine Monopolstellung in Wirtschaft und Handel inne hatten, war diese Maßnahme bei der Bevölkerung beliebt, und andere afrikanische Länder priesen sie als Vorbild für ihre eigene Politik.

Weltweite Bekanntheit erlangte der Diktator des kleinen Landes jedoch wegen seiner Außenpolitik. Nachdem ihm der Westen seine Wünsche nach Waffen abgeschlagen hatte, begann er zunehmend auf dem Moslem- und Anti-Imperialismus-Ticket zu reisen. Gaddafis Libyen wurde einer der wichtigsten Geldgeber, und Amin selbst der Held der afrikanischen und arabischen Massen, der Israel und den USA die Stirn bot.

Anfang 1979 hatte die tansanische Regierung, die Amins Vorgänger Obote nahestand, genug und schickte ihre Armee nach Uganda. Dieser Angriff wird gerne als Präzedenzfall für den afrikanischen Interventionismus bezeichnet - Armeen aus Nachbarländern haben in den vergangenen Jahren in Sierra Leone, Guinea-Bissau und in den beiden Kongos eingegriffen. Und Amin hatte einige Monate zuvor angekündigt, einen Teil West-Kenias zu annektieren, und versuchte zudem, einen Teil Tansanias zu erobern.

Mittlerweile hat sich Uganda, das in den siebziger und achtziger Jahren als Symbol für Terror und Zerstörung galt, grundlegend verändert. Der ugandische Präsident Yoweri Museveni, der 1986 Obote durch einen Guerilla-Krieg stürzte, gilt einigen gar als Hoffnungsträger für den gesamten Kontinent. Seit zehn Jahren verzeichnet das Land ununterbrochen Wachstumsraten von sieben Prozent, es ist eines von drei afrikanischen Ländern, die jüngst von der Schuldenreduzierung des Pariser Clubs profitierten, und Museveni wird auf jede internationale Konferenz eingeladen oder hat sie selbst zu Gast. Erst vor zwei Wochen fand in Uganda das G 77-Treffen der Entwicklungsländer statt.

Museveni ist somit zum Musterknaben des Westens avanciert. Ursprünglich wohl, weil er als (für afrikanische Verhältnisse) aufgeklärter Staatsmann galt, der ernsthaft Korruption und Mißwirtschaft bekämpft; inzwischen jedoch mehr wegen seiner sicherheitspolitischen Bedeutung als Verfechter der westlichen Außenpolitik.

Uganda gilt wie zu Amins Zeiten, der die auf der Seite des Südens stehenden Israelis vertrieb, als Schlüsselland für den Bürgerkrieg im Sudan, und ebenso für den im Kongo. Die Zuneigung ist gegenseitig. Uganda intervenierte innerhalb von fast einem Jahr zwei Mal im Kongo, und die internationale Kritik hielt sich in Grenzen - dadurch können sich Ugandas Unterstützer Hoffnung auf einen Teil des Rohstoffreichtums im Kongo machen. Und im Gegenzug verficht Museveni auch die unpopulären Maßnahmen: Er begrüßte die Bombardierung der - nach sudanesischen Angaben - Arzneimittelfabrik nördlich von Khartum Ende vergangenen Jahres, was die anderen afrikanischen Staatschefs wohlweislich vermieden.

Die Innenpolitik Ugandas steht schon jetzt völlig im Zeichen des Referendums zur Einführung des Mehrparteiensystems, das im kommenden Jahr stattfinden soll. Zwar sind in Uganda politische Parteien erlaubt, aber ihre Handlungsfähigkeit ist extrem eingeschränkt und ihre Bedeutung in der Politik marginal. Museveni wurde 1996 mit über 70 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt, und da seine Regierung massiv für die "Keine-Parteien"-Variante wirbt, wäre die Einführung des Mehrparteien-Systems eine echte Überraschung.

Das Parlament, das als zahm galt, da es mehrheitlich aus Anhängern Musevenis besteht, hat sich in den vergangenen Monaten deutlich emanzipiert. Vier Minister mußte Museveni inzwischen entlassen, weil sie vom Parlament wegen ihrer Verwicklung in Korruptionsaffären gerügt worden waren, und auch eine Kabinettsumbildung Anfang April war dadurch nötig geworden.

Daß Idi Amin irgendwann straffrei nach Uganda zurückkehren wird, ist im übrigen keineswegs ausgeschlossen. Schon vor den Präsidentschaftswahlen 1996 kam das Gerücht auf, daß er sein Exil in Saudi-Arabien verlassen werde. Amin dementierte umgehend: Er sei nicht in Geldschwierigkeiten - im Gegensatz zu einigen seiner Schergen, die schon zurückgekehrt sind.