Hauptmann Haider

Nach dem Wahlsieg in Kärnten wollen die Freiheitlichen nun auch bei den Wahlen zum EU-Parlament zulegen

"Ich bin am Ziel meiner Träume", verkündete er glückselig. Jörg Haider, Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs, ist zum zweiten Mal nach 1989 zum Landeshauptmann (entspricht einem Länder-Ministerpräsidenten in Deutschland) von Kärnten gewählt worden. Die 16 Stimmen seiner F genügten schließlich, denn die ÖVP enthielt sich der Abstimmung und die Sozialdemokraten hatten für ihren Kandidaten lediglich zwölf Stimmen zur Verfügung.

Zufrieden grinsend diktierte er dem aufgeregten ORF-Reporter ins Mikro, daß er im Grunde alles erreicht habe und daß ihm das jetzt genüge. Also kein Bundeskanzler Haider? Nein, meint dieser - außerdem wäre es seinen vielen Wählern gegenüber sehr arrogant, schon jetzt über eine etwaige Kandidatur laut nachzudenken. Einfach ehrlich, einfach Jörg - wie immer. Das ist toll. Der Mann vergißt auch im Moment des Triumphes seine treuen Gesinnungsgenossen nicht.

Doch irgendwie ließ die Hofübergabe im karinthischen Hauptort Klagenfurt die sonstigen ekstatischen Jubelstürme der F-ler vermissen. Auch etwaige flammende Kampfansagen und verbale Attacken gegen seine politischen Widersacher blieben diesmal aus. Haider hat ab sofort andere Sorgen. Zum Beispiel die Konstituierung des Landtags.

Besonders belohnt wurde dabei die Volkspartei (ÖVP). Sie, die bis zuletzt gedroht hatte, die Wahl Haiders zum Landeshauptmann platzen zu lassen, heimste die Verwaltung der Landwirtschaft, der Gemeinden, der Raumordnung, einen Teil der EU-Agenden und die Verteilung von EU-Fördermitteln ein. Kein Wunder also, daß man seitens der ÖVP plötzlich nicht mehr das Haider-Verhindern proklamierte, sondern lammfromm von einem demokratischen Ergebnis säuselte, das man "zur Kenntnis nehmen" müßte.

Die Sozialdemokraten hingegen witterten natürlich die Gefahr und spuckten ob der von ihnen diagnostizierten "Packelei" Gift und Galle. Haider kann's egal sein. Er genießt nicht nur in Kärnten, sondern auch im übrigen Bundesgebiet breite Sympathien, die ihn und seine F geradewegs zum nächsten Erfolg tragen: den EU-Wahlen.

Schon 1996 lag die FPÖ mit mehr als 27 Prozent nur knapp hinter SPÖ (rund 29) und ÖVP (knapp 30). Diesmal hat man es Haider jedoch leichter gemacht, Wählerstimmen zu sammeln. Neben den Skandalen in Brüssel, dem Rücktritt der EU-Kommission und der undefinierbaren EU-Politik der österreichischen Bundesregierung wird besonders ein Thema den Wahlkampf beherrschen: die EU-Ost-Erweiterung. Ein Zusammenhang zwischen Rekordarbeitslosigkeit und wachsender Angst vor verstärkter Zuwanderung muß von Haider nur noch zeitgerecht aufbereitet werden, medienwirksam ist er ohnehin.

Entsprechend gelassen reagiert die Partei: Ihren Spitzenkandidaten für die Europawahlen am 13. Juni will sie erst "irgendwann Anfang Mai" vorstellen. Es ist aber auch ziemlich egal, wer da vorgestellt wird, denn Haider hat die Bundespartei weiterhin fest in der Hand. Und er wird sie sich nicht so schnell entreißen lassen. Auch nicht als vielbeschäftigter Landeshauptmann Kärntens.

Beängstigend ist allerdings die Akzeptanz, die Haider in Österreich mittlerweile entgegengebracht wird. Umfragen verschiedener Meinungsforschungsinstitute ergaben jüngst, daß ein beträchtlicher Teil der Österreicher der FPÖ durchaus Regierungsfähigkeit attestiert. Und das mit einem Mann an der Spitze, der sich immer noch nicht von seiner Äußerung, es habe "im Dritten Reich eine ordentliche Beschäftigungspolitik" gegeben, distanziert oder sich gar für sie entschuldigt hat.

Offenbar sieht man das in Deutschland ähnlich oder hegt die irrationale Hoffnung, Haider könnte sich irgendwann doch zu einem Demokraten entwickeln, reifer werden und sich keine "Umfaller" mehr leisten. Vergessen wird dabei, daß der F-Führer zu den erfahrensten Oppositionspolitikern Europas zählt und "lautes Nachdenken" taktisch einzusetzen gelernt hat. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Liste seiner "verbalen Verfehlungen" - wie es in österreichischen Medien heißt - wieder länger wird.

Doch der Blaue Jörg braucht sich um seine Karriere nicht zu sorgen. Wie gelähmt stehen zur Zeit die anderen Parteien da, echauffieren sich über seinen Rechtspopulismus, setzen ihm jedoch nichts entgegen. Im Gegenteil sind Äußerungen über Haider von einer Mischung aus Naivität und Verharmlosung geprägt. Andreas Rudas, Bundesgeschäftsführer der zur Zeit stimmenstärksten Partei Österreichs, den Sozialdemokraten, ist beispielsweise der Ansicht, die FPÖ hätte keinen Bonus bei den EU-Wahlen zu erwarten. Begründung: Der Wähler könne sehr wohl unterscheiden und wisse, daß bei einem "so wichtigen Projekt" eine Fundamentalopposition wie die der FPÖ der falsche Weg sei.

Ähnlich einfach argumentiert der Koalitionspartner ÖVP: Generalsekretär Othmar Karas meint gar, Österreichs Interessen seien durch Außenminister Wolfgang Schüssel und die ehemalige Nachrichtensprecherin und heutige EU-Repräsentantin der ÖVP in Brüssel, Ursula Stenzel, am kompetentesten und besten vertreten. Für Haider sind die Aussagen solcher Selbstvermarktungs-Laien ein Festmahl. Die Frage ist nur, wie opulent es in den nächsten Wochen ausfallen wird.

Sollten die Freiheitlichen auch am 13. Juni als Sieger aus der Wahl hervorgehen, wird es für die rot-schwarze Regierungskoalition eng. Denn von einer weiteren Niederlage gegen den "Vertreter der Ehrlichen und Fleißigen dieses Landes" würden sich weder SPÖ noch ÖVP bis zur Nationalratswahl Anfang September erholen. Politik der Mitte, so scheint es, ist in Österreich immer weniger gefragt. Dennoch wird sie von den beiden Großparteien mit solch einer Inbrunst verteigt, daß man ihnen fast schon Unlust am Regieren unterstellen möchte.

Dabei hat Haider bislang noch keine Silbe über die Flüchtlinge aus dem Kosovo verloren. Zwar sitzt mit dem Sozialdemokraten Karl Schlögl nicht gerade ein Linker an den Hebeln der Innen-, also auch Ausländerpolitik. Doch früher oder später werden einige Tausend Kosovo-Albaner nach Österreich kommen. Und da man zur Zeit davon ausgehen kann, daß sie nicht so rasch in das Kosovo zurückkehren werden können, kann Haider erneut seine wichtigste Karte spielen, den weitverbreiteten Rassismus der Bevölkerung nutzen und so gleichzeitig der Regierung Druck machen.

Um selbst die Regierung irgendwann einmal übernehmen zu können, bedarf es jedoch bei den Freiheitlichen konsequenter Nachwuchsarbeit. Denn ein geeigneter Nachfolger für Haider ist momentan nicht auszumachen. Als aussichtsreichster Kandidat wird der Vorarlberger Landeschef Alfons Gorbach gehandelt, auch Generalsekretär Peter Westenthaler taucht als potentieller Thronfolger regelmäßig in den Zeitungen auf.

Es wäre allerdings auch keine Überraschung, sollte diesmal eine Frau das Rennen machen. Susanne Rieß-Passer, ebenfalls Generalsekretärin der FPÖ, brächte zumindest die Eigenschaft mit, sich medial in Szene setzen zu können. Doch wer es auch immer sein wird - ohne Haider im Hintergrund geht nichts. Persönlich in die Bresche springen kann er diesmal nicht, denn an seinen derzeitigen Posten ist er die nächsten fünf Jahre gebunden. Die Zeit, seinen Schützlingen an den Rednerpulten beizustehen und die Werbetrommel für die Nationalratswahl mitzurühren, wird er sich aber sicherlich nehmen.