Krumme Geschäfte

Im Bananen-Streit haben sich die USA gegen die EU durchgesetzt

Wer sich derzeit Bananen en gros besorgen möchte, sollte damit lieber noch etwas warten. Durch geschicktes Timing bei der Einkaufsplanung könnte der aufgeklärte Konsument in den Genuß von Bananen-Preisen kommen, die bis zu einem Drittel niedriger liegen als noch vor kurzem. Das glaubt zumindest die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV).

Nach Veröffentlichung des Schiedsspruches der Welthandelsorganisation WTO im Bananen-Streit von vergangener Woche muß die Europäische Union ihr kompliziertes Verfahren für den Bananen-Import verändern: Demnach dürfen die (billigen) Bananen der US-Firmen Chiquita und Dole künftig nicht mehr gegenüber dem (teuren) Konkurrenzprodukt aus der Karibik benachteiligt werden. Das bringt angeblich den Wohlstand unters Volk, und die AgV hat auch ausgerechnet, wieviel: Bei einem Durchschnittsverbrauch von pro Person 14 Kilo jährlich, bleiben den Bundesbürgern in Zukunft mindestens eine Milliarde Mark mehr für andere Ausgaben.

Wer so versucht, die wohlstandsfördernden Auswirkungen des Freihandels zu beweisen, der kann schon mal ein paar Variablen vergessen. Was im Modell noch funktioniert, sieht im konkreten Fall meistens ganz anders aus. Auf das Schnäppchen an der Obsttheke sollte man lieber nicht hoffen.

Tatsächlich behindert die EU seit sechs Jahren die Geschäfte der weltgrößten Bananen-Händler aus den USA. Die Importregeln, die von der WTO jetzt zum wiederholten Mal abgelehnt wurden, hatte die EU als entwicklungspolitische Hilfe für ehemalige europäische Kolonien konzipiert: Karibische Kleinbauern produzieren weit ungünstiger als die Großplantagen in Lateinamerika; ohne die Protektion der EU hätten sie keine Chance auf dem europäischen Markt.

Zudem sind die Preisvorteile von "Dollar-Bananen" aus Lateinamerika teuer erkauft: Den amerikanischen Chefs ist es egal, wenn sich ihre Angestellten durch den Einsatz hochgiftiger Pestizide einem extremen Gesundheitsrisiko aussetzen und die miesen Arbeitsbedingungen zu Arbeitsunfällen führen. Hauptsache, die Banane wird schön straff, gelb und billig. Der WTO-Schiedsspruch könnte den drei Firmen Chiquita, Dole und DelMonte daher eine monopolartige Stellung in Europa sichern - um anschließend die Preise zu erhöhen. Aus der zusätzlichen Milliarde für deutsche Konsumenten wird dann wohl nichts.

Im Bananen-Streit geht es schließlich nicht darum, daß Brüsseler Bürokraten aus undurchsichtigen Gründen der Konsumgesellschaft den Spaß verderben. Denn an einem sowohl von der ökonomischen Bedeutung wie auch in Form und Farbe etwas lächerlichen Gegenstand wird über den genauen Inhalt des Politikprogramms Freihandel gestritten.

Ähnlich gelagerte Fälle von größerer Tragweite sind schon absehbar, und immer ist die Welthandelsorganisation das Forum. Der US-Botschafter bei der WTO, Peter Scher, nannte gegenüber der NZZ das Urteil im Bananen-Streit bedeutungsvoll, da es einen Präzedenzfall für kommende Streits schaffe. Der (noch) amtierende EU-Handelskommissar Leon Brittan denkt daher laut über eine Berufungsverhandlung nach.

Egal, ob es um Bananen, hormonbehandeltes Fleisch oder gentechnisch veränderte Organismen geht, die Situation ist immer die gleiche: Die Anwälte aus Washington fordern Freihandel ein und meinen dabei möglichst gute Profitmöglichkeiten für amerikanische Unternehmen.

Die EU reagiert mit einer formaljuristischen Hinhaltetaktik - zu den meisten Streitfragen gibt es unter den EU-Mitgliedstaaten keine Einigkeit. Und ohne einen klaren Auftrag nützt den Anwälten aus Brüssel auch die neue Macht durch die neue gemeinsame Währung nichts. Dem Handelsgericht bei der WTO bleibt nichts anderes übrig, als ein salomonisches Urteil zu fällen und ansonsten seine wichtigsten Mitglieder zu einer Verhandlungslösung aufzufordern.

So wurde der EU prinzipiell das Recht eingeräumt, durch eine Regulierung des Bananen-Handels legitime entwicklungspolitische Ziele zu verfolgen. Der deutsche Wirtschaftsminister Werner Müller hat einen Kompromißvorschlag angekündigt, mit dem die USA und die WTO einverstanden wären und der die karibischen Bananen-Bauern weiter vor übermächtiger Konkurrenz schützen könnte. Wenn der deutsche Vorschlag - statt der komplizierten Lizenzregelung könnte die EU auf schlichte Zölle gegen amerikanische Billig-Bananen umsteigen - akzeptiert wird, wäre zumindest der Bananen-Streit erledigt.

Doch damit wäre der Handelsstreit in der WTO noch längst nicht ausgestanden. Das größte "Verbrechen" gegen das Gesetz des Freihandels aus Sicht der USA sind die europäischen Agrarsubventionen, die fast den halben EU-Etat ausmachen und in viel größerem Ausmaß die Exportchancen amerikanischer Unternehmen behindern.

Die Agenda 2000 war daher auch der (deutsche) Versuch, den Agrarhaushalt zu kürzen, um einen Krach mit den USA vor den Schiedsgerichten der WTO zu verhindern. Es wird allerdings noch Jahre dauern, bis in der europäischen Landwirtschaft amerikanische Verhältnisse einkehren. Eine solche "europäische Variante" des Freihandels - im Prinzip ja, aber es gibt Bereiche, die tabu sind - widersprechen zwar amerikanischen Vorstellungen. Sie ist aber die einzige Variante, in der die Idee des Freihandels als politisches Programm noch realistische Überlebenschancen hat.